Es war der Müllcontainer einer regionalen Supermarktkette, den ich in dieser Nacht als letztes nach essbaren Lebensmitteln durchsuchte – und fündig wurde. Allerdings fand ich – wie sonst leider viel zu oft – keine Lebensmittel in den Tonnen vor, sondern lag dort der Karton einer Kaffeemaschine mit dem bekannten Namen „Tassimo“. Im ersten Moment dachte ich, dass es sich hierbei lediglich um die weggeworfene Umverpackung handeln würde, was sich nach näherem Hinsehen als falsch herausstellte. Eine komplett neue und saubere Maschine hielt ich plötzlich in meinen Händen. Optisch war sie also einwandfrei, wenngleich damit eine Funktionsfähigkeit nicht automatisch gewährleistet war. Deshalb nahm ich das Gerät mit und begann mir die Frage zu stellen, was es mit dieser Maschine auf sich hat und welche Umweltauswirkungen damit verbunden sind.
Zu Hause angekommen, wollte ich einen ersten Testlauf mit heißem Wasser starten, was aber nur möglich war, wenn eine sogenannte TDISC aus Kunststoff, die im Gerät beiliegt, eingelegt wird. Man muss also stets eine solche Scheibe einlegen, damit das Gerät überhaupt funktioniert. Die Maschine macht klassische Filtertüten und Teebeutel damit komplett überflüssig. Selbst Kaffee- und Teepulver werden nicht mehr benötigt, da BesitzerInnen einer Tassimo zum Kauf eben solcher Discs gezwungen werden. Der Testlauf mit dem heißen Wasser war erfolgreich und das Gerät füllte mir exakt 200 ml in die unter den Getränkeauslauf gestellte Tasse. Das ging schnell und mühelos. Um eine endgültige Sicherheit über die Funktion der Kaffeemaschine erhalten zu können, wollte ich es mit den richtigen TDISCs austesten und besorgte mir eine Packung im Supermarkt. Schon dort wurde ich von einer gigantischen Produktpalette förmlich erschlagen: Kaffee, Cappuccino, Latte, Tee, Kakao und weitere sonderbare Sorten. Ich entschied mich für eine Packung „Earl Grey“, die mit fast fünf Euro für 16 solcher Discs alles andere als günstig ist.
Zunächst musste ich die einzelnen Kapseln von einer unnötig hochwertigen Verpackung trennen, ehe ich mir die erste Tasse genehmigen konnte. 200 ml Tee auf Knopfdruck in nicht einmal einer Minute. Geschmacklich war der Tee kein Highlight, wenngleich die nun verbrauchte Kunststoffscheibe das viel größere Problem war. Um das Teepulver von der restlichen Verpackung trennen zu können, musste ich den Deckel aufschneiden, da dieser ganz bewusst fest angeklebt wurde. Anschließend musste das Pulver herausgekratzt werden, sodass dann erst eine ordnungsgemäße Mülltrennung möglich wurde. Man möchte sich gar nicht vorstellen, was bei einer regelmäßigen – oder gar täglichen – Anwendung für Müllberge entstünden. Vom enormen Kostenfaktor mal ganz abgesehen.
Nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbandes trinkt jede/r Deutsche durchschnittlich rund 150 Liter Kaffee im Jahr, was knapp zwei Tassen pro Tag bedeutet.[1] Und gerade der Konsum von Kapseln und Pads ist im Jahr 2012 gegenüber dem Vorjahr um ganze 16 Prozent angestiegen![2] Alleine in diesem Jahr werden hierzulande mindestens vier Millionen Kilogramm Aluminium- und Plastikmüll aus rund zwei Milliarden Kaffeekapseln anfallen.[3] Das Geschäft mit dem Kaffee auf Knopfdruck boomt – ganz zur Freude großer Lebensmittelkonzerne. Nach Berechnungen des Marktforschungsinstituts Euromonitor International lag der weltweite Umsatz allein bei Kaffeekapseln im Jahr 2012 bei rund sechs Milliarden Dollar. Dem Weltkonzern Nestlé ist es gelungen, aus einem täglich konsumierten Produkt einen Luxusartikel zu kreieren. Neben Nespresso fahren auch die Marken Tassimo (Mondelez International, ehemals Kraft Foods) und Senseo (Douwe Egberts) jährlich riesige Gewinne ein.[4] Die Konzerne haben es geschafft, ihre Maschinen günstig in vielen Haushalten und kleineren Unternehmen zu etablieren und profitieren nun von der endlosen Abhängigkeit der VerbraucherInnen. Diese zahlen für die geräteabhängigen Systeme Mondpreise, obwohl klassischer Filterkaffee und Teebeutel wesentlich günstiger sind. Letztlich handelt es sich bei diesem System um eine Kuh, die ohne großen Aufwand täglich viel Milch in Form von Geld abgibt. Und die führenden Konzerne wollen in den nächsten Jahren noch viel Milch erwirtschaften, schließlich wird dieses Geschäft laut Mondelez International bis 2016 allein in Westeuropa auf mehr als ein Drittel des gesamten Kaffeemarkts anwachsen. Grund genug für eben dieses Unternehmen, nicht nur auf das eigene System zu setzen, sondern für Nespressomaschinen kompatible Kapseln auf den Markt zu bringen, schließlich handelt es sich bei Nespresso um das marktführende System. Und natürlich hat auch Douwe Egberts bei den Kapseln längst nachgezogen.[5]
Wer einen klassischen Kaffeefilter oder Teebeutel verwendet, kann diesen bedenkenlos kompostieren beziehungsweise über die Biotonne entsorgen. Für die Umwelt ist diese Form der Entsorgung absolut bedenkenlos, zumal dem Filterkaffee gute Düngeeigenschaften nachgesagt werden. Für die Entsorgung der Verpackung des löslichen Kaffees fallen 0,2 Gramm Abfall pro Tasse an, was gegenüber anderen Systemen mit Abstand der beste Wert ist. Auch Kaffeepads dürfen in den Biomüll, wenngleich hierbei durch die Verpackung 0,8 Gramm Abfall je Tasse anfallen. Die größten Umweltsünder sind allerdings Kapseln und Scheiben, die aus Kunststoff oder Aluminium bestehen. Zwar lassen sich diese recyceln, was aber längst nicht immer passiert und trotzdem sehr energieintensiv ist. Mit jeder Tasse wird die Umwelt mit 2 bis 3 Gramm Müll zusätzlich belastet.[6]
Unter dem Namen „Ecolaboration“ hat Nestlé vor einiger Zeit ein Programm veröffentlicht, mit dem die Marke Nespresso nachhaltiger werden soll. Das klingt auf den ersten Blick sehr positiv, wenngleich sich die genannten Maßnahmen schnell als Mogelpackung entpuppen. So rühmt sich das Unternehmen mit seinen Aluminiumkapseln, die sich über das Duale System (gelbe/r Tonne/Sack) recyceln lassen, was nur etwa fünf Prozent der Energie benötigt, die es braucht, um das Material aus Bauxit herzustellen. Das allerdings setzt voraus, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher die Kapseln auch tatsächlich richtig entsorgen. Landen die Kapseln beispielsweise in der schwarzen Tonne, werden sie ungenutzt verbrannt. Das mag zwar nicht das Problem des Konzerns sein, wenngleich erst durch diesen das Problem in der Welt ist. Und die Produktion neuer Aluminiumkapseln bleibt weiterhin extrem energieintensiv.[7]
Des Weiteren sollen die Kaffeemaschinen energieeffizienter werden und die Kapseln aus ca. 15 Prozent weniger Aluminium bestehen. Zudem wollte das Unternehmen den Anteil des „AAA Sustainable Quality“- Kaffees bis Ende 2013 auf 80 Prozent erhöhen. Dieser Kaffee wird von der Nichtregierungsorganisation Rainforest Alliance zertifiziert, wodurch ökologische Standards gewährleistet werden sollen.[8] Auch die Tassimo-Plastikscheiben oder die Kunststoffdöschen des Tchibo-Systems „Cafissimo“ sind echte Umweltsünder, immerhin tragen sie zusätzlich zum Plastikgehäuse noch einen Aluminiumdeckel. Die fehlende Sortenreinheit erschwert das Recycling, zumal viele KonsumentInnen die Kapseln komplett mit Inhalt in den gelben Sack geben.
Die kaufkräftige Kundschaft möchte kein schlechtes Gewissen bekommen, sodass die Konzerne mit sehr großem Aufwand Werbung schalten und für viel Geld ihre Produkte nachhaltig erscheinen lassen wollen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sich auch auf den Internetseiten von Tassimo und Cafissimo Nachhaltigkeitsbemühungen finden lassen. Auch hier wird erneut auf energieeffiziente Maschinen und die Rainforest Alliance verwiesen, wobei tatsächliche Zahlen und Fakten teils ausbleiben. Immerhin Tchibo führt bereits eine Kaffeesorte, die das Fairtrade-Siegel trägt.[9-10] Doch diese ganzen Maßnahmen reichen nicht, schließlich dienen sie nur zur Imagepflege. Kaffee auf Knopfdruck ist und bleibt ein echter Umweltsünder – egal, welche Maßnahmen die Unternehmen zukünftig unternehmen werden. Immerhin gibt es doch längst die wesentlich ökologischere und günstigere Filtervariante.
Und selbst das Siegel der Rainforest Alliance ist nicht zwangsweise eine Garantie für fairen und ökologischen Kaffeeanbau, weil es weder Mindestabnahmepreise noch Mindestlöhne garantiert. Außerdem gibt es das Rainforest-Siegel schon für Produkte, wenn 30 Prozent der Inhaltsstoffe von zertifizierten Betrieben stammen. Transfair, also die Organisation, die das Fairtrade-Siegel vergibt, verlangt 100 Prozent. Fatal ist allerdings, dass den VerbraucherInnen dieses oftmals nicht bewusst ist, schließlich suggeriert der grüne Frosch (das Logo der Organisation) fairen Handel und schonenden Anbau. Wäre dem wirklich so, müsste beispielsweise Tchibo nicht zusätzlich noch das Fairtrade-Siegel nutzen. Man kann beide Siegel somit nicht auf eine Stufe stellen, wenngleich die Konzerne dieses gerne tun.[11]
„Das steht weder für Bio noch für faires Wirtschaften“, sagte Claudia Brück von Transfair gegenüber der taz. Der Vorwurf lautet zudem, dass die Rainforest Alliance eine industrienahe Organisation ist, die sich nicht an international ausgehandelte Kriterien hält, sondern eigene aufstellt, die nicht ausreichend transparent sind.[12]
Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass ein Großteil des Kaffees aus sehr schlechten Arbeitsbedingungen stammt. Hungerlöhne, fehlende Arbeitsstandards, mangelhafter Arbeitsschutz, Verbot gewerkschaftlicher Organisation und unzureichende medizinische Standards sind dabei kein Einzelfall – selbst Kinderarbeit ist weiterhin ein großes Problem. Außerdem sind die Bauern von schwankenden Weltmarktpreisen abhängig, was ein gesichertes Einkommen gar nicht ermöglichen kann.[13] Das echte Fairtrade-Siegel wirkt diesen Missständen entgegen, andere Siegel versprechen lediglich ein gutes Gewissen ohne ernsthafte Maßnahmen.
Ohnehin wäre es begrüßenswert, wenn wir unseren Kaffeekonsum deutlich reduzieren würden, immerhin muss neben den Arbeitsbedingungen, dem Einsatz giftiger Pflanzenschutzmittel und dem Verpackungsmüll auch der weite und klimaschädliche Transport berücksichtigt werden.
Für mich steht fest, dass ich auch zukünftig auf Pads und Kapseln gut verzichten kann, schließlich bieten sie keinen nennenswerten Mehrwert. Und selbst wenn Zeit eingespart werden kann, muss man sich immer über die damit verbundenen Umweltprobleme und Menschenrechtsverletzungen bewusst sein. Doch was mache ich jetzt mit der gefundenen Maschine? Weiß‘ nicht, jemand eine Idee?
Bildquelle Artikelbild oben: „Ncup“ von Massimo Ricci unter der Lizenz CC BY-SA 2.0 via Flickr
Quellen:
[1] Kaffee in Deutschland – Deutscher Kaffeeverband (31.01.2014 13:17)
[2] Kaffeepads- und kapseln – die Müllmacher! – netzfrauen.org (31.01.2014 – 13:20)
[3] Wir produzieren 4000 Tonnen Kaffeekapsel-Müll – welt.de (31.01.2014 13:30)
[4] Kaffeekapseln – die Müllmacher! – ÖkoTest (31.01.2014 – 13:45)
[5] siehe [2]
[6] Kaffee: Kapsel, Pad und Filtertüte im Umweltvergleich – feelgreen.de (31.01.2014 – 14:35)
[7] Der Lebenszyklus der Nespresso Kapsel – nespresso.com (31.01.2014 – 14:56)
[8] Das Problem der Aluminium-Kapseln – focus.de (31.01.2014 – 15:01)
[9] Nachhaltigkeit – tassimo.de (31.01.2014 – 15:17)
[10] Nachhaltiger Kaffeeanbau – tchibo.de (31.01.2014 – 15:23)
[11] Warum Schokogiganten auf politisch korrekten Kakao setzen – Spiegel Online (31.01.2014 – 17:15)
[12] McDonald’s macht jetzt auf fair und bio – taz.de (31.01.2014 17:21)
[13] Fairer Handel mit Kaffee – Fairtrade Deutschland (31.01.2014 17:28)
1 Kommentar
Nirasavetheworld
7. Februar 2014 um 9:47Ein sehr sehr guter und spannender Post!
Das mit den Siegeln wusste ich noch gar nicht. Und bisher mich das Thema mit den Kaffeemaschinen auch nicht interessiert, da ich nur Tee trinke. Ich bin froh, dass meine Mutter zu Hause noch immer eine normale Kaffeemaschine benutzt. Und den Kaffeesatz schmeißen wir regelmäßig in unsere Pflanzen.
Ich verstehe den Boom hinter all den neuen Kaffeevollautomaten nicht. Natürlich ist es ganz angenehm, wenn man sich einen Cafe Latte auch zu Hause zubereiten kann, aber wenn man dann mal einen Kaffeeklatsch mit seinen Freunden/Freundinnen hält, dann ist der erste Kaffee schon wieder kalt, bevor der letzte überhaupt fertig ist.
Ich bleibe beim Tee. 🙂
liebe Grüße
~ Nira