„Jedes Jahr das neueste Smartphone“, verspricht der Mobilfunkkonzern Vodafone vollmundig auf Plakaten oder im Internet. Es klingt im ersten Moment fast zu schön, um wahr zu sein und doch meint es das Unternehmen komplett ernst. Immer mit der Zeit gehen, stets das neuste Gerät besitzen und bei technischen Trends ganz vorne mit dabei sein: Vodafone könnte mit dieser Kampagne den Nerv vieler Verbraucherinnen und Verbraucher treffen, die sich ein solches Modell längst gewünscht haben. Zwar mag es dazu keine belegbaren Statistiken geben, wenngleich man hierbei lediglich die Zahlen zum deutschen Handykonsum näher betrachten muss – und so gewisse Rückschlüsse ziehen kann.
Der Branchenverband BITKOM geht laut eigenen Erhebungen davon aus, dass 63 Millionen Menschen in Deutschland ein Mobiltelefon besitzen. 90 Prozent aller Deutschen über 14 Jahren besitzen somit ein derartiges Gerät. Über zwei Drittel (68 Prozent) der BundesbürgerInnen ab 65 Jahren haben inzwischen auch ein Handy. Außerdem kommt der Verband zu dem nicht wirklich überraschenden Ergebnis, dass der Trend weiterhin klar zum Smartphone geht: Mittlerweile 40 Prozent aller BürgerInnen ab 14 Jahren verfügen über ein internetfähiges Mobiltelefon dieser Art. Das Marktforschungsinstitut EITO schätzt, dass über 80 Prozent der in 2013 verkauften Handys Smartphones waren.[1] Weltweit sind im genannten Jahr erstmals mehr als eine Milliarde Smartphones verkauft worden.[2] Es ist damit zu rechnen, dass der Handykonsum auch zukünftig noch weiter ansteigen wird.
Für viele Menschen ist das Mobiltelefon heute unverzichtbar, ein nützlicher Begleiter in verschiedenen Alltagssituationen und manchmal existenziell für das eigene Leben. An dieser Stelle soll es jedoch nicht um die ständige Erreichbarkeit (und die damit teils verbundenen Probleme), den mangelnden Datenschutz von Smartphones oder die Veränderung unserer Kommunikation gehen, wenngleich die Frage berechtigt ist, warum wir dermaßen viele vermeintlich alte Mobiltelefone in unseren Schubladen versauern lassen oder unzureichend entsorgen. 106 Millionen Altgeräte befanden sich laut BITKOM 2013 in deutschen Haushalten, 2012 waren es noch 85,5 Millionen Stück – ein Anstieg von 24 Prozent innerhalb eines Jahres.[3] Geht man dabei von 40 Millionen Haushalten in Deutschland aus, befinden sich 2,65 Handys in jedem dieser Haushalte.
In der Regel nicht einmal zwei Jahre verbringen wir mit einem Handy, ehe es einem Neugerät weichen und damit in der Schublade ein trauriges Dasein fristen muss oder der Entsorgung zugeführt wird – die ist allerdings oft nicht fachgerecht. Sehr fatal ist die Entsorgung der ausgedienten Mobiltelefone über den Hausmüll, da die Geräte auf diese Weise in Müllverbrennungsanlagen landen und damit auch die wertvollen Rohstoffe komplett verloren gehen. Bei geschätzten 1000 Tonnen Handys im Jahr sind es rund 350 kg Gold im Wert von 7 Millionen Euro, die einfach verbrannt werden. Laut Gesetz sind Handys eigentlich als Elektroschrott zu entsorgen. Dafür müssen die Handys bei Recyclinghöfen abgegeben werden, um gemeinsam mit Computern, Fernsehern und ähnlichem in entsprechenden Containern gesammelt werden zu können. Diese Methode ist für Mobiltelefone nur bedingt geeignet, da auf diese Weise lediglich ca. ein Viertel des Goldes zurückgewonnen werden kann. Um mehr zu erreichen, müssen die Handys gesondert behandelt werden. In Deutschland werden solche gesonderten Verfahren bislang kaum durchgeführt. Umicore in Antwerpen ist eines von wenigen Unternehmen
in Europa, die Handys sachgerecht und sehr effizient recyceln. In der Regel erhält das Unternehmen die Handys von den Herstellern, wo die KundInnen die Telefone zuvor abgegeben haben. Durch sehr effektive chemische Verfahren können die Edelmetalle und bis zu 10 weitere Metalle zurückgewonnen werden, z.B. vor allem Kupfer, aber auch Blei, Nickel,
Wismut, Zinn, Antimon oder Indium.[4]
Zunehmend ist zu beobachten, dass Elektrogeräte, die in Industrieländern wie Deutschland als veraltet gelten, nach Afrika verschifft und dort unter fragwürdigen Bedingungen weiterbehandelt werden. Was in der westlichen Konsumgesellschaft längst nicht mehr angesagt ist, findet auf afrikanischen Märkten noch gut zahlende Kundschaft. Handys, Röhrenbildschirme, Kühlschränke und viele andere Elektrogeräte, die nach einer Saison in Europa aussortiert werden oder deren Reparatur zu teuer erscheint, finden hier eine erneute Verwendung. Schätzungsweise 230 000 Tonnen gebrauchter Elektronik sind allein 2009 in die fünf westafrikanischen Länder Nigeria, Ghana, Liberia, Benin und Elfenbeinküste exportiert worden, kommt eine Studie im Auftrag der Basler Konvention und des UN-Umweltprogramms (UNEP) zum Schluss. Tausende Menschen sind in diesem Sektor beschäftigt. Ein Grund zur Freude?
Wohl eher nicht, schließlich gelangen zusammen mit den nutzbaren Altgeräten auch tonnenweise unbrauchbarer Schrott und giftiger Sondermüll nach Afrika, dessen fachgerechte Entsorgung in Europa teuer bezahlt werden müsste. Etliche Geräte werden nicht als Elektromüll deklariert, obwohl sie eindeutig nicht mehr funktionsfähig sind. Die Hafenbehörden mussten in der Vergangenheit bereits einräumen, dass sie nicht über ausreichende Kapazitäten verfügen, um alle Container ausreichend zu kontrollieren. Begünstigt wird der Export solcher defekten Geräte durch fehlende Gesetzgebung in ganz Westafrika. Neben Großbritannien und Frankreich macht auch der deutsche Handel satte Gewinne mit dem Verkauf von Altgeräten, wobei es nicht unüblich ist, dass dabei brauchbare Geräte im Set mit Schrottgeräten an die örtlichen HändlerInnen vertrieben werden. Es ist ein skrupelloses Geschäft, bei dem neben den Menschen auch die Umwelt stark leidet: Der unverkäufliche Elektroschrott landet schließlich auf Müllkippen, wo auf ineffiziente und gefährliche Weise wichtige Rohstoffe aus Mobiltelefonen und anderen Geräten herausgelöst werden. Selbst Kinder werden für diese gesundheitsschädliche Tätigkeit eingesetzt. Bei der Verarbeitung der jährlich etwa 650.000 Tonnen Elektroschrott werden auch giftige Schwermetalle und Chemikalien freigesetzt, die beispielsweise die Luft und das Trinkwasser stark belasten.[5]
Recyclingverfahren sind – teils ganz bewusst – weiterhin sehr ineffizient, sodass viele wichtige Ressourcen verloren gehen. Demnach ist es nicht verwunderlich, bedingt durch unseren ständigen Konsumhunger nach neuen technischen Geräten, dass zunehmend Kriege um neue Rohstoffe geführt werden, die man eben auch für neue Handys benötigt. Es geht dabei vor allen Dingen um Coltan, Wolfram, Zinn und Gold, wobei besonders Coltan für die Herstellung vieler verschiedener Elektrogeräte benötigt wird. Dieser Rohstoff wird primär in Afrika vermutet, hier muss insbesondere die Demokratische Republik Kongo erwähnt werden. Dort tobt im Osten seit zwei Jahrzehnten ein grausamer und zugleich unübersichtlicher Bürgerkrieg, der seit den frühen 90er-Jahren schätzungsweise fünf Millionen Menschen das Leben gekostet und viele Millionen in die Flucht getrieben hat. Der Kampf um seltene Rohstoffe ist zwar nicht die ursprüngliche Ursache für diese grausame Gewalt, wenngleich heute viele Minen von Rebellen kontrolliert und geführt werden. Für sie ist der Bergbau ein sehr lukratives Geschäft.
Unterschiedliche Hersteller sprechen sich zwar gegen Rohstoffe aus derartigen Quellen aus, passiert ist bislang allerdings nur sehr wenig – man vertraut auf die Versprechen von Zulieferern. Außerdem gibt es derzeit noch keine sicheren Methoden, mit denen solche Rohstoffquellen systematisch umgangen werden können. Von der europäischen Politik ist nicht viel zu erwarten, immerhin sitzen diesen etliche Wirtschaftsverbände im Nacken, die keine strengeren Regularien wünschen. Kinderarbeit, Vergewaltigung und Mord wird es somit auch weiterhin im Kongo und anderen rohstoffreichen Ländern geben.[6]
Die Fakten sind mehr als bedrückend und doch entwickelt sich unser Konsum in die komplett falsche Richtung, was nun auch Vodafone aktiv unterstützen möchte. „Mit der Vertragsoption „NextPhone“ bietet Vodafone ab sofort die Möglichkeit, bereits nach 12 Monaten ein subventioniertes neues Smartphone zu erhalten – und somit stets auf dem neuesten Stand zu bleiben“, schreibt Dominik Linke auf dem Vodafone Blog. Aus ökologischer und ethischer Sicht ist eine derartige Kampagne höchst bedenklich, was zu Recht von Germanwatch kritisiert wurde. In einer Pressemitteilung heißt es dazu: „Vodafone sieht in seinem Werbeangebot eine Rücknahme der Smartphones nach einem Jahr vor. Cornelia Heydenreich: ‚Zwar können diese noch fast
neuen Handys dann aufgerüstet oder recycelt werden. Ökologisch viel günstiger wäre es jedoch, wenn das ursprüngliche Handy länger genutzt würde. Recycling bedeutet immer auch Energieverbrauch und Verlust von wertvollen Rohstoffen. Vodafone sollte seine Strategie überdenken.'“ Vodafone weist diese Kritik natürlich zurück und gibt sich verantwortungsvoll, was angesichts einer solchen Kampagne reine Farce ist. „Darüber hinaus werden die Geräte über einen Dienstleister in
Entwicklungsländern als kostengünstige Alternative zu teureren Neugeräten angeboten. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der digitalen Kluft zwischen diesen Ländern und dem Westen“, heißt es weiter auf dem unternehmenseigenen Blog. Damit gibt der Konzern – wenn auch geschickt formuliert – zu, dass er die Altgerät auf die bereits erwähnte, fragwürdige Weise in Afrika entsorgen lässt. Überwindung der digitalen Kluft? Muss ein Kontinent, der gewiss andere Probleme und Nöte hat, unbedingt mit Smartphones, die wir nach einem Jahr abgegeben haben, künstlich überschwemmt werden?
Es bleibt dabei: Zwar bedient Vodafone damit einen bestehenden Trend unter vielen VerbraucherInnen, obgleich solche Angebote aus ökologischer und ethischer Sicht nicht zu vertreten sind. Wir sollten uns als Konsumentinnen und Konsumenten fragen, ob wir ernsthaft immer das neueste Smartphone benötigen und welchen Mehrwert wir dadurch überhaupt erzielen. Wer einen ernsthaften Beitrag zum Umweltschutz leisten möchte, benutzt zunächst einmal die Altgeräte aus seiner Schublade.
Vodafone redet trotzdem weiterhin von einem „verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen“ und möchte sich „der gesellschaftlichen und ökologischen Realität“ stellen. Sieht man ja – unglaubwürdig und gleichgültig gegenüber nachfolgenden Generationen zugleich.
Bildquelle Artikelbild oben: „Ex und Hopp 2.0“ von Elias Schwerdtfeger unter der Lizenz CC BY-NC-SA 2.0 via Flickr
Quellen:
[1] 63 Millionen Handy-Besitzer in Deutschland – bitkom.org (19.07.2014 19:27)
[2] 2013 über eine Milliarde Smartphones verkauft – dw.de (19.07.2014 19:32)
[3] Rat für nachhaltige Entwicklung setzt sich für Smartphone-Pfand ein – inside-handy.de (19.07.2014 19:38)
[4] Wertvolle Rohstoffe: Was alles in Handys steckt – WDR/Quarks & Co (19.07.2014 22:40)
[5] Tödlicher Elektroschrott für Afrika – AG Friedensforschung (19.07.2014 23:15)
[6] Rohstoffe im Kongo: Der Krieg und unsere Handys – noz.de (19.07.2014 23:54)
2 Kommentare
Anonym
8. September 2014 um 19:14Mittlerweile hat auch der Anbieter Congstar (Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom) mit der „Handytausch Option“ ein ähnliches Angebot.
Anonym
22. April 2016 um 18:11klingt verlockend, aber ich hatte bedenken wegen der Verschwendung der Rohstoffe, habe recherhiert und bin hier gelandet. Zuerst dachte ich, ok, so wird das alte Handy recycelt und es liegen dann weniger Handys in Schubladen und die Rohstoffe gelangen wieder in den Kreislauf und weniger wird abgebaut. Aber dem ist ja nicht so, wundert mich eigentlich nicht. Es ist traurig, dass durch solche Aktionen gezeigt wird, dass immer noch nicht begriffe wurde, dass wir auf nur einer Erde leben…