Ausstieg & Energiewende/ Politik & Protest

Für den Ausstieg: Atomtransporte weltweit stoppen!

Täglich finden Atomtransporte weltweit statt und stellen so den Weiterbetrieb sämtlicher Atomanlagen sicher. Auch Norddeutschland ist vor allem mit den Häfen in Rostock und Hamburg sowie dem Nord-Ostsee-Kanal von der Problematik der Atomtransporte unmittelbar betroffen. Dieses Thema wird gerne verdrängt und findet bislang kaum Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Die Castortransporte von La Hague nach Gorleben sind ein durchaus bekanntes Ereignis, wenngleich alle weiteren Transporte kaum mediale Aufmerksamkeit erfahren oder gar nicht eindeutig nachvollzogen werden kann, wann und wo die Transporte tatsächlich stattfinden. Durch eine Anfrage von der Linkspartei im Landtag von Schleswig-Holstein in der letzten Legislaturperiode konnte herausgefunden werden, dass über eine halbe Million Atomtransporte jährlich alleine in Deutschland durchgeführt werden. Den zahlenmäßig größten Anteil haben hierbei Transporte radioaktiver Stoffe für Mess-, Forschungs- und medizinische Zwecke. Wenn wir jedoch die Menge des radioaktiven Inventars betrachten, liegen die Transporte, die mit der Atomenergienutzung im Zusammenhang stehen, unangefochten vorne.

Atomtransporte finden in unterschiedlicher Form statt. Um einen Eindruck zu gewinnen, was dort zu welchem Zweck transportiert wird, hilft es, sich die Atomspirale vor Augen zu führen (siehe Abbildung oben).
Zunächst wird das Erz in Bergwerken abgebaut oder durch Pressen von Chemikalien wie Säuren in den Untergrund ausgelöst und an die Oberfläche gepumpt. Besonders die Länder indigener Völker werden dabei durch den Uranabbau zerstört. Zu den größten Uran-Produzenten zählen unter anderem Kanada, Russland, Australien Kasachstan, Namibia und Niger.
Das abgebaute Uranerz wird anschließend in einer Uranmühle, die oft in der Nähe eines Bergwerks liegt, zerkleinert und ausgelaugt. Als Endprodukt entsteht dabei Uranerzkonzentrat, dass zumeist auch „Yellow Cake“ genannt wird. Im nächsten Schritt wird das Uranerzkonzentrat in einer Konversionsanlage in Uranhexafluorid umgewandelt. Das Isotopenverhältnis im natürlichen Uranerz ist nicht geeignet, um in den weit verbreiteten Leichtwasserreaktoren eingesetzt zu werden. Aus diesem Grund wird das spaltbare Uranisotop 235 angereichert, was in sogenannten Urananreicherungsanlagen (z.B. in Gronau, Deutschland) geschieht. Dabei fallen gigantische Mengen abgereichertes Uran („Depleted Uranium“) an, welches unter anderem für die Herstellung von Uranmunition eingesetzt wird.
Das angereicherte Uranhexafluorid wird zu Rekonversionsanlagen transportiert, in Uranoxid umgewandelt und weiter zur Brennelementefabrik gebracht. Dort wird das Uranoxid zu Tabletten gepresst, in Brennstabhüllen gefüllt und die Brennstäbe zu Brennelementen gebündelt, die anschließend in Atomkraftwerken zum Einsatz kommen. Die abgebrannten Brennelemente wurden bis zum Jahr 2005 zu Wiederaufarbeitungsanlagen („Plutoniumfabriken“) verbracht und von dort zum Teil als Mischoxid-Brennelemente (MOX, Uran und Plutonium gemischt) wieder in AKWs eingesetzt und zum anderen Teil mit den berüchtigten CASTOR-Transporten nach Gorleben zur Zwischenlagerung gebracht. Seit 2005 ist nur noch die Zwischenlagerung der Brennelemente erlaubt; ein „Endlager“ gibt es nicht.
Zwischen all den genannten Arbeitsschritten kommt es zu gefährlichen Atomtransporten per Schiff, Zug, LKW oder Flugzeug. Jedem kann persönlich ein solcher Transport begegnen, wenngleich bislang längst nicht alle Transporte im Detail nachvollzogen werden können. Dafür fehlt es an nötigen Informationen, zumal diese Transporte jeweils nur für 3 Monate erfasst und erst nachträglich auf Anfrage veröffentlicht werden.

Atomanlagen und die damit verbundenen Atomtransporte stellen eine große Gefahr dar und sind weltweit ein Problem! Die nachfolgene Karte verdeutlicht dieses nochmals.
Die Betrachtung von Urananreicherungsanlagen, Brennelementfabriken und Wiederaufarbeitungsanlagen ermöglichen es, aufgrund ihrer überschaubaren Anzahl und Funktion als Knotenpunkte der Atomwirtschaft, einen Überblick über die Transportstrecken zu gewinnen:

LandUrananreicherungs-anlagen (UAA)Brennelemente-produktion (BEP)AtomhäfenWiederaufbereitungs-anlagen (WAA)
EnglandCapenhurstSpringfieldBarrow-in-FurnessSellafield
DeutschlandGronauLingenHamburg, Rostock, (Bremen)/
Belgien/DesselAntwerpen/
NiederlandeAlmelo///
FrankreichPierrelatte/TricastinMarcoule, RomansLa HavreLa Hague
RusslandElektrostal,
Jekaterinburg,
Krasnojarsk, Rostow am Don, Angarsk, Tomsk
Elektrostal, NowosibirskSt. Petersburg/
Schweden/VästeråsTrelleborg/
Spanien/Juzbado//
Kasachstan/Ust-Kamenogorsk//
USAPaducah, EuniceColumbia, Richland, Wilmington//
ChinaLanchow, Hanchong///
Südkorea/Daejeon//
JapanRokkashoTokai, Yokosuka, Kumatori//

Norddeutschland passieren häufig Transporte mit den normalen Passagierfähren zwischen Trelleborg und Rostock von und zur Brennelementefabrik Västerås in Schweden. Betrieben wird die Fährlinie derzeit noch von der Reederei Scandlines, aktuell geplant ist jedoch die Übernahme durch den Konkurrenten Stena Line. Über Trelleborg und Rostock gehen die Transporte weiter in die ganze Welt. Die Reederei TT-Line hingegen lehnt Atomtransporte komplett ab. Des Weiteren durchqueren etliche Schiffe mit radioaktiven Stoffen den Nord-Ostsee-Kanal, welche auch nach dem angeblichen „Atomausstieg“ der schwarz-gelben Bundesregierung diese Wasserstraße weiter passieren dürfen.
Eine weitere bekannte Transportroute verläuft vom Hafen in St. Petersburg durch den Nord-Ostsee-Kanal oder um Skagen nach Hamburg. Anschließend fahren die Schiffe über Bremen und Antwerpen nach Le Havre. Dabei handelt es sich stets um einen bedarfsorientierten Transport, sodass nicht immer alle Häfen angefahren werden. Ein regelmäßiger Fahrplan ist nicht vorhanden und würde bei der Geheimhaltung von Atomtransporten für die Betreiber auch eher kontraproduktiv sein.

Juristisch bleibt es weiterhin unklar, in welcher Instanz Atomtransporte endgültig verboten werden können. Die Bremer Bürgerschaft hat in ihrer gleichzeitigen Funktion als Landesregierung eine Entwidmung des Bremer Hafens für Kernbrennstoffe beschlossen. Auch hier ist noch unklar, inwieweit dieser Beschluss rechtlich verbindlich ist. In Rostock hatte die Bürgerschaft ebenfalls Atomtransporte abgelehnt, was keine rechtlichen Folgen nach sich zog, da die Stadt selbst keine Berechtigung zu diesem Beschluss hat. Dieses steht im Regelfall nur einer Landes- oder der Bundesregierung zu, weil diese beispielsweise durch die Sperrung von öffentlichen Straßen oder als Hafenbesitzer die Transporte stoppen könnte. Zudem verlangt das Europarecht einen freien Warenverkehr, zu dem auch Atomtransporte gezählt werden. Es bleibt insgesamt ein juristisch sehr schwieriges und undurchsichtiges Thema.

Auch über die Unfälle wird in der Öffentlichkeit kaum gesprochen, da hier meist keine konkreten Informationen vorliegen. Bekannt ist bisher, dass ein Transportschiff vor Kopenhagen gekentert und ein weiteres auf eine Sandbank gefahren ist. Im März 2010 stoppte die Bremer Polizei einen LKW, der auf dem Weg zur UAA Gronau war. Das Gestell, auf dem Uranhexafluorid transportiert wurde, war teilweise durchgerostet.

Damit effektiver Widerstand gegen Atomtransporte und so ein praktischer Beitrag zur Stilllegung aller Atomanlagen geleistet werden kann, brauchen wir mehr Informationen. Von offizieller Seite bekommen wir diese nicht, sodass wir uns selbst organisieren müssen: Wer hat Atomtransporte gesehen? Erkennbar sind die mittels Gefahrgutkennzeichnung. Kommt in der oberen Zeile der orangenen Warntafel eine 7 vor, handelt es sich um radioaktives Material, ein weiteres Zeichen ist das bekannte Warnsymbol für Radioaktivität. Bitte meldet Beobachtungen am besten mit Fotos so schnell wie möglich an sand@nadir.org:

• Wo fahren sie genau lang?
• Was haben sie geladen (Aussehen der Ladung, Container, Zylinder…, Aufschrift auf der orangenen Warntafel (UN-Nummer))
• Anzahl der LKWs oder Waggons?
• Wie heißt die Spedition oder Firma?

Informationen und Bilder bringen stückweise Klarheit in die Transportkette und ermöglichen ggf. noch kurzfristige Aktionsmöglichkeiten. Jedes gestoppte Transportfahrzeug verursacht höhere reale Kosten und macht Atomtransporte teurer.
Atomtransporte müssen weltweit verhindert werden, damit jeglichen Atomanlagen die Versorgung und somit die Existenz entzogen werden kann. Atomausstieg ist Handarbeit!

Bildquelle (Bild 1): Bundesamt für Strahlenschutz
Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit von J. Merkel und Thorge Ott verfasst.

Das könnte Ihnen auch gefallen

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert