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Filmvorführung „The True Cost – Der Preis der Mode“ – erfolgreiche Veranstaltung in Kiel

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Wie kann es sein, dass in unseren Geschäften Pullover und Hosen für weniger als 10 Euro, Hemden für unter 5 Euro zu bekommen sind? Wie kommen so günstige Preise zustande? Was sind die Folgen dieser Billigmode? Wer ist dafür verantwortlich und wer sind die Leidtragenden? Und was wäre die Alternative?
Fragen über Fragen, auf die der Film „The True Cost – Der Preis der Mode“ von Regisseur Andrew Morgan Antworten geben möchte. Aus diesem Grund luden Brot für die Welt, das Schleswig-Holsteiner Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, das Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein (BEI) sowie das Frauenwerk der Nordkirche und die Kieler Aktivgruppe der Kampagne für Saubere Kleidung am 23. November zu einer Filmvorführung mit anschließender Diskussion ins Studio Filmtheater ein. Die Resonanz war enorm: Rund 130 Menschen folgten der Einladung, darunter auch zwei Schulklassen der Kieler Humboldt-Schule.

Gleich zu Beginn wartet der Film mit einem eindrücklichen Kontrast auf: Auf der einen Seite abgemagerte Models, die ein vermeintliches Schönheitsideal verkörpern sollen, auf den Laufstegen internationaler Modemetropolen, auf der anderen Seite die ausgebeuteten Näherinnen und Näher am anderen Ende der Erde in den riesigen Textilfabriken verschiedener Billiglohnländer. Und irgendwo dazwischen stehen die Verbraucherinnen und Verbraucher der westlichen Industrienationen mit prallgefüllten Einkaufstüten. Es ist eine komplexe Geschichte von Macht, Gier und Armut, die sich über die ganze Welt erstreckt. Zugleich wird aber auch gezeigt, wie es anders, besser gehen kann.

Arbeiterinnen und Arbeiter in Bangladesch, insbesondere in der Hauptstadt Dhaka, die einer der wichtigsten Produktionsstandorte ist, und anderen Billiglohnländern erhalten keinen angemessenen, existenzsichernden Lohn (auch der teilweise national geltende Mindestlohn ist zumeist viel zu knapp bemessen), müssen übermäßig viele unbezahlte Überstunden ableisten, Kinderarbeit ist nicht ausgeschlossen, Arbeitsschutz- und Hygienestandards werden von den Betreibern der Fabriken bewusst missachtet und Gewerkschaften gezielt bedroht und verhindert. Das ist gewiss kein neues Problem, sondern hat es sich seit Jahrzehnten zunehmend verschärft. Wurden beispielsweise in den 60er-Jahren rund 95 Prozent aller in den USA verkauften Kleidungsstücke auch direkt im Land produziert, sind es heute nicht einmal mehr 5 Prozent. Die Fabriken sind längst stillgelegt, die Produktion in andere Länder verlegt worden. Dort, wo es sich billiger produzieren lässt, Menschenrechte mit Füßen getreten werden und der Mensch, der die Kleidung mit seinen Händen herstellt, nichts zählt. Ein Trend der längst in den allermeisten westlichen Industrienationen erfolgt ist. Auch in Deutschland.

Große, namhafte Textilkonzerne wie H&M, Zara, Primark, Topshop, Forever 21, GAP, Mango, Joe Fresh, aber auch teure, vermeintlich gute Marken wie Adidas, Nike oder Puma haben diesen Trend maßgeblich gefördert. Gab es einst maximal vier Kollektionen pro Jahr (für jede Saison eine eigene), was letztlich schon viel zu viel ist, hat sich dieses Denken zunehmend aufgelöst. Man könnte heutzutage sogar von wöchentlich neuen Kollektionen sprechen, da ständig neue Teile in den Geschäften hängen und uns zum Kaufen animieren sollen. Immer neu, immer mehr: Fast Fashion ist das Stichwort. Billigmode als Wegwerfware eben.
Kleidung ist teilweise so billig, dass sich die Menschen nicht einmal mehr die Mühe machen, diese im Geschäft anzuprobieren. Passt diese dann nicht oder gefällt daheim doch nicht, landet sie einfach im Müll. Es kostet ja fast nichts. Außerdem arbeiten die Konzerne mit grellen Farben, speziellen Schnitten und außergewöhnlichen Materialien – mit nur einem Ziel: Die Kleidung soll schnell wieder „aus der Mode sein“ und uns zu neuem Konsum animieren. Mit zeitlos schönen Textilien hat das rein gar nichts zu tun.

Aber die ohnehin schon billigen Preise sind den Konzernen offensichtlich noch nicht niedrig genug, weshalb die Modeketten untereinander im ständigen Wettbewerb stehen und noch günstiger anbieten wollen. Sie drücken deshalb die Preise in den Fabriken. Der Leiter einer solchen Textilfabrik erzählt im Film: „Wenn sie zu uns kommen wegen einer Bestellung oder Verhandlung heißt es ‚Der Laden xy verkauft dieses Hemd für fünf Dollar, also muss ich es für vier Dollar anbieten. Ihr müsst es billiger herstellen‘; also machen wir das. Dann kommt eine andere Marke und sagt ‚Die verkaufen das für vier Dollar, dann ist unser neuer Richtpreis drei Dollar. Wenn ihr es für drei Dollar hinkriegt, kommen wir ins Geschäft. Ansonsten nicht.'“.
Er muss solchen Forderungen nachgeben, weil er auf die Aufträge angewiesen ist. Es wird an allen Ecken und Enden massiv gespart und im Preis gedrückt.
Wen verwundert es da noch, dass Brände in Fabrikgebäuden ausbrechen oder diese gar einstürzen, wie beispielsweise das Rana Plaza? Die Folge sind tausende Menschen, die aufgrund fehlender Sicherheit und der Profitgier skrupelloser Konzerne und Fabrikbetreiber ihr Leben lassen mussten.

Die Probleme in der globalen Bekleidungsindustrie beschränken sich aber nicht nur auf den reinen Herstellungsprozess der Kleidung. Schon der Beginn dieser riesigen, undurchsichtigen Textilkette ist mehr als problematisch: Unmengen Pestizide, ein hoher Wasserverbrauch und spezielles Saatgut, mit dem Bäuerinnen und Bauern in die Abhängigkeit großer Agrarkonzerne getrieben werden, sind die Folgen. Arbeiterinnen und Arbeiter erkranken an den giftigen Pestiziden, unsere Umwelt wird massiv belastet. Die indische Lederindustrie, in der weiterhin mit gefährlichem Chrom gegerbt wird, leistet ebenfalls ihren Beitrag zu dieser Umweltzerstörung.

Andrew Morgan beleuchtet mit diesem Film akribisch die Missstände in der weltweiten Textilindustrie und führt uns vor Augen, dass die Menschheit trotz maßlosem Konsum nicht glücklicher wird. Der Film hinterlässt ein bedrückendes Gefühl, was aber Anlass genug sein sollte, sich über den eigenen Konsum von Kleidung Gedanken zu machen. Morgan zeigt aber auch, wie es besser gehen kann: Dafür interviewt er beispielhaft Unternehmen, die Kleidung unter besseren Bedingungen produzieren und dieses durch entsprechende Siegel glaubwürdig belegen können. Außerdem appelliert er an die Menschen, sich zum Thema Kleidung mehr zu informieren und nachzufragen.

Denn klar ist, dass die wohlklingend formulierten Verhaltenskodexe und CSR-Berichte namhafter Konzerne nichtssagendes Geschwurbel ohne irgendwelche Verbindlichkeiten sind. Sie unterhalten keine eigenen Fabriken und können sich somit aus jeglicher Verantwortung stehlen. Aufstände verzweifelter Arbeiterinnen und Arbeiter werden teils mit Gewalt von Polizei und Militär niedergeschossen – das übernehmen die jeweiligen Regierungen der Billiglohnländer. Schließlich möchte man auf keinen Fall die ach so wichtigen Auftraggeber verlieren und in ein anderes, noch billigeres Land abwandern sehen. Dann müssen die Menschenrechte der Ärmsten eben erneut mit Füßen getreten werden.

Im Anschluss an den Film diskutierten Waltraud Waidelich (Kampagne für Saubere Kleidung) und Sarah Lincoln (Brot für die Welt) mit dem Publikum. Neben der Frage, worauf bei fairer Kleidung geachtet werden muss und wo es diese zu kaufen gibt, machten beide deutlich, dass nicht nur die Verbraucherinnen und Verbraucher in der Verantwortung sind. Auch die Politik muss entsprechende Gesetze erlassen, um solche Missstände nicht länger zu ermöglichen. Bisher ist das ein Weg, der einen sehr langen Atem erfordert, da sich sowohl Politik als auch Konzerne nur langsam oder gar nicht bewegen. Des Weiteren stellten sie klar, dass Transparenz wichtig ist, alleine jedoch nicht genügt, da beispielsweise Adidas alle Produktionsstandorte offenlegt. Produziert wird dort trotzdem weiterhin unter miesen Arbeitsbedingungen. Es bleibt also nach wie vor ein langer Kampf für bessere Arbeitsbedingungen aller Menschen in der globalen Bekleidungsindustrie.

Bildquelle: Grandfilm

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