In vielen Großstädten kann man es Wochenende für Wochenende erneut erleben: Jugendliche nutzen die öffentlichen Verkehrsmittel, um sicher zur Diskothek zu kommen und auch Fußballfans reisen mit Bus und Bahn zum Stadion an. Leider ist dabei oft Alkohol im Spiel, wenn vor dem Feiern „vorgeglüht“ wird oder der Sieg des eigenen Teams mit Bier und Hardstoff gefeiert wird. Resultat sind dabei oft grölende Jugendliche im Alkoholrausch, gewalttätige Ausschreitungen und durch Alkohol verdreckte Zugabteile. Auch in Hamburg ist das ein Problem, weshalb sich der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) nun zu einem strikten Alkoholverbot in allen Bussen und Bahnen des Verkehrsverbundes entschlossen hat. Ebenfalls ist der Konsum von alkoholischen Getränken dann auch an allen Haltestellen untersagt. Das Verbot tritt ab dem 1. September in Kraft und gilt dabei vorerst nur probeweise ohne Strafen, sodass sich alle Fahrgäste an diese Änderung gewöhnen können. Ab dem 1. Oktober kostet das Trinken im Nahverkehr dann stolze 40 Euro.
Plakate auf Bahnsteigen, an Haltestellen und in Bussen weisen auf die neue Vorschrift hin: „Alkoholfreie Zone. Danke, dass Sie mitmachen!“ – außerdem werden in der einmonatigen Verwarnphase 60.000 Infokarten an die Fahrgäste verteilt. Dabei geht es aber nur um den aktiven Alkoholgenuss in den öffentlichen Verkehrsmitteln des HVV, da fest verschlossene Getränke weiterhin von den Fahrgästen mitgeführt werden dürfen. HVV-Pressesprecherin Gisela Becker gab dazu allerdings bekannt, dass es definitiv keine Körper- oder Taschenkontrollen geben wird. Alle eingesetzten Sicherheitskräfte sollen nach Augenschein und Gehör kontrollieren.
Es ist ein richtiger und wichtiger Schritt, der für mehr Sicherheit im Hamburger Nahverkehr sorgen soll. Allerdings ist das Thema bislang sehr umstritten, da besonders Jugendliche kein Verständnis für diese Entscheidung zeigen wollen. Aus diesem Grund haben sich auf Facebook bereits Gegener zusammengefunden, die eine große Aktion für den 30. September geplant haben. Unter dem Motto „HVV-Abschiedstrinken“ werden die Facebook-Nutzer „in der U3 Hauptbahnhof zum gemeinsamen Abschiedstrinken“ eingeladen. Rund 17.000 User haben bislang zugesagt und wollen an diesem sinnlosen Massenbesäufnis teilnehmen. Bewirken wird die Aktion ohnehin nichts und liefert nur einen erneuten Grund fürs Feiern. Das diese Party schnell entgleisen könnte, weiß die Polizei nur zu gut, weshalb sie entsprechende Gegenmaßnahmen prüft. Bereits 2008 gab es chaotische Zustände in der Londoner U-Bahn, als dort Zehntausende Jugendliche vor dem Inkrafttreten des Alkoholverbots gefeiert haben. Momentan wird geprüft, ob bestimmte Bahnhöfe bereits im Vorfeld gesperrt werden oder sogar zeitweise die besagte U3 stillgelegt wird. Das könnte sich vielleicht auch als zwecklos herausstellen, da die Personen die Möglichkeit hätten, auf eine andere Linie umzusteigen.
Doch nicht nur jugendliche Fahrgäste stört das Verbot, da sich auch viele andere Menschen dadurch eingeschränkt fühlen und nicht auf ihr „Feierabendbier“ verzichten möchten. Dabei fallen immer die gleichen Argumente: „Es trifft doch eh die Falschen“ oder „Das Verbot ist sinnlos, da niemand so genau kontrollieren kann.“
Natürlich gibt es auch friedliche Fahrgäste, die tatsächlich nur ihr Bier in Ruhe genießen möchten und doch wird hier eine schwierige Stelle von Verboten getroffen, da solche dann schließlich für alle Gäste gleichermaßen gelten müssen. Des Weiteren sehen sich Gewerbetreibende als Opfer dieser Maßnahme, weil verschiedene Kioske mit Nähe zu Haltestellen mit Umsatzeinbußen rechnen. Selbst das gilt es anzuzweifeln, da die Kunden ihre alkoholischen Getränke sehr wohl weiterhin dort kaufen, diese dann allerdings nicht in den Verkehrsmitteln trinken werden/dürfen. Und das ist doch das Ziel der Aktion, da man schließlich den Alkohol allgemein nicht verteufeln möchte.
Trotz der Kritik gibt es auch zahlreiche Befürworter des Alkoholverbots, die sich mehr Sicherheit und Ruhe im Nahverkehr erhoffen. Eine anonyme Nutzerin spricht sich im Netz für das Verbot aus und schreibt: „Ich bin absolut für dieses Verbot. Im Metronom hat das Verbot gewirkt, es ist eindeutig ruhiger und auch die ganzen Fußballfans halten sich zurück. Es gibt zwar immer wieder welche, die das Verbot missachten und trotzdem trinken, allerdings läuft auch genug Personal im Zug herum, um diese Personen zu verwarnen und notfalls auch aussteigen zu lassen.“
Die Metronom Eisenbahngesellschaft ist dabei ein gutes Stichwort, da diese bereits Ende 2009 ein solches Alkoholverbot verhängt hat und damit überwiegend positive Erfahrungen machen konnte. Auf diese Weise konnte die Rate der Vandalismusschäden um 30 Prozent gesenkt werden, die Zahl der Straftaten ging um 55 Prozent zurück und der anfallende Müll konnte von 163 Tonnen pro Monat auf 55 reduziert werden.
Auch bei der Essener Verkehrs AG (Evag) ist das Verbot von Alkohol und sogar Essen längst üblich, wenngleich man auch gute Erfahrungen damit machen konnte, wie Nils Hoffmann, Sprecher der Evag, kürzlich mitteilte.
Dennoch ist das Verbot nicht einfach aus der Luft gegriffen, sondern basiert auf eindeutigen Umfragewerten: Rund 86 Prozent der 1200 telefonisch Befragten sprachen sich demnach für ein Alkoholverbot in öffentlichen Verkehrsmitteln aus. Im Frühjahr 2010 hatte die Hamburger SPD diese Debatte ins Rollen gebracht und sich auf die Erfolge der Metronom gestützt.
Damit ernsthafte Erfolge erzielt werden können, hofft der HVV auf eine positive Zusammenarbeit mit den Fahrgästen und setzt 110 geschulte Sicherheitskräfte ein, die ohnehin ab 2012 kommen sollten.
Die Deutsche Bahn (DB) und viele andere regionale Verkehrsverbünde schauen in diesen Tagen skeptisch nach Hamburg und zweifeln an der Wirksamkeit. Sollte sich das Verbot tatsächlich bewähren, sind mehrere Verbünde ähnlichen Maßnahmen gegenüber nicht verschlossen. Die Deutsche Bahn plant auf absehbare Zeit keine weiteren Handlungen in diesem Bereich, da es dafür keine Anlässe geben würde und es schließlich auch „die Falschen treffe“.
Auch im Ausland gab es in der Vergangenheit bereits Vorstöße dieser Art: Wie bereits erwähnt, darf auch in London nicht getrunken werden, was – dank Kameras – gut eingehalten wird. Bei Verstoß ist mit saftigen Strafen zu rechnen. In Paris hingegen wird der normale Umgang mit Alkohol – beispielsweise das Feierabendbier – geduldet, obwohl Alkoholkonsum auch hier verboten ist. Erheblich strenger wird der Umgang mit Alkohol in Washington gehandhabt, da dort ausnahmslos Essen und Trinken im kompletten Nahverkehr verboten sind. Ohnehin gilt dort ein Alkoholverbot in der Öffentlichkeit. Auch in Moskau ist Alkohol während der Beförderung verboten, was kaum jemanden dort interessiert. Kontrollen werden nur sehr selten durchgeführt.
Die Hamburger Vorschriften gelten allerdings nicht für Bahnen des Regionalverkehrs, welche die HVV-Grenzen in Richtung Schleswig-Holstein verlassen. Dazu zählen die Nord-Ostsee-Bahn, die Nordbahn und DB Regio, sowie die Hadag-Fähren.
Es bleibt abzuwarten, welche Wirkung dieses Verbot erzielen kann und doch begrüße ich diesen Vorstoß, da er für mehr Sicherheit und Ruhe in den Verkehrsmittel sorgen wird und angetrunkene Fahrgäste die eigene Reise nicht angenehmer machen. Von anderen Verkehrsverbünden und besonders von der Deutschen Bahn würde ich mir selbige Maßnahmen wünschen, damit bundesweit Gewalt und Randale durch betrunkene Fahrgäste weiter eingedämmt werden kann.
Und wer dennoch trinken möchte, kann das außerhalb der Verkehrsmittel tun, zumal die meisten Fahrgäste in Hamburg ohnehin nur wenige Minuten mit Bus und Bahn fahren.
Bildquelle: aboutpixel.de / bahnhof © svair
6 Kommentare
Nathalie
9. Oktober 2011 um 14:25Ich komme aus Ba-Wü und dort gibt es seit über 1 1/2 Jahren ein Alkoholverbot zwischen 22.00-05.00 Uhr, das heißt nur noch Kneipen, Bars, Restaurants dürfen Alkohol verkaufen. Ich arbeite in einer Tankstelle, meistens nachts. Nun ist es so, dass dieses Verbot für alle gilt, aber komischerweise zum Jugendschutz eingeführt wurde (?!). Es ist wirklich lustig und macht super viel Spaß angetrunkenen Leuten immer und immer wieder zu erklären, dass ich keinen Alkohol trinken darf. Dass diese dann tierisch aggressiv werden und ich, im Gegensatz zu früher, sehr sehr sehr viel öfter die Polizei holen muss, genauso wie meine anderen Kollegen, spricht für sich.
Genauso ist es auch super angenehm erwachsenen Männern ihr EINES Feierabendbier nicht verkaufen zu können und dadurch fühlen sie sich natürlich überhaupt nicht entmündigt. So, mein Fazit: Es ist scheiße, die Leute sind aggressiver drauf als vorher, die Straftaten gingen nicht zurück und den Alkohol bekommen die Jugendlichen auch so, wenn sie gewzungen vor 10 zu kaufen und dazu noch viel billiger als in irgendeiner Tankstelle. Sinn hinter dieser Entmündigung?
Genauso sehe ich das in Hamburg, mir tun die ganzen Fahrer jetzt schon leid.
Nathalie
9. Oktober 2011 um 14:26* dass ich keinen Alkohol VERKAUFEN darf, nicht trinken.
Thorge Ott
10. Oktober 2011 um 1:00Hallo,
vielen Dank für deinen umfangreichen Kommentar. Es geht bei dem Alkoholverbot in Bussen und Bahnen darum, dass dort kein Alkohol mehr getrunken wird und somit gröhlende Jugendliche im Alkoholrausch, gewalttätige Ausschreitungen und durch Alkohol verdreckte Zugabteile vermieden werden sollen. Alkohol darf – sofern dieser verschlossen ist – weiterhin mitgeführt werden. Der HVV will also den aktiven Alkoholgenuss in Bussen und Bahnen verhindern. Ziel ist es nicht, dass Jugendliche weniger trinken, sondern dass die Fahrten mit den öffentlichen Verkehrmitteln friedlicher verlaufen.
Du hast allerdings deine Sicht zu einem grundsätzlichen Alkoholverbot geschildert. Und dabei ist es oft leider vollkommen richtig, dass die Jugendlichen dann auch vor 22 Uhr noch an Alkohol kommen.
Dem HVV geht es also nicht um ein grundsätzliches Alkoholverbot, wie du es beschrieben hast, sondern um ein Verbot in deren Verkehrsmitteln. Das sind zwei ganz unterschiedliche Sachlagen.
Insofern sollte man die geschilderte Situation Ba-Wü nicht mit dem HVV in Hamburg vergleichen.
Nathalie
10. Oktober 2011 um 23:38Danke, Captain Obvious 😉 Es ging mir eher um den Vergleich in der Theorie löbliche Dinge einzuführen, die an der Praxis scheitern. Den Unterschied hast du leider nicht verstanden. Die falschen Leute "leiden" darunter. Aber man muss sich ja fügen und sich entmündigen lassen und sich sagen lassen, dass ich als erwachsener Mensch kein Bier in der Bahn trinken darf, weil von mir vorrausgesetzt wird, dass ich daraufhin pöbele und den Schaffner verprügele. Es geht darum, dass man Menschen unter dem Deckmantel der Sicherheit kontrolliert und ihnen in kleinen Stücken die Selbstbestimmung nimmt zum "Schutz", siehe Internetsperren. Ich hoffe, du hast nun verstanden worum es mir geht. Ich möchte mir als erwachsener Mensch nun mal ungerne sagen lassen wo und wann ich Bier zu trinken habe.
Thorge Ott
11. Oktober 2011 um 17:21Danke für den erneuten Kommentar.
Ich habe schon verstanden, worauf du letztlich hinaus wolltest. Natürlich kann man sich verärgert fühlen, wenn man jetzt kein Alkohol mehr in Bussen und Bahnen trinken darf. Ganz gewiss trifft diese Regelung auch pauschal die Menschen, die nur friedlich ihr "Feierabendbier" trinken wollen. Aber mal ehrlich: Es kann überall anders getrunken werden, weshalb es doch kein dramatisches Problem ist, wenn man die wenigen Minuten in den öffentlichen Verkehrsmitteln ohne Alkohol auskommmen muss.
Etwas übertrieben finde ich auch, dass hier Internetsperren mit den Regelungen eines Unternehmens verglichen werden. Äpfel und Birnen sollte man nie in einen Korb tun. Es soll schließlich niemand pauschal kriminalisiert werden. Man muss es nicht so interpretieren.
Du kannst das praktisch überall in der Öffentlichkeit trinken, musst nur in den öffentlichen Verkehrsmitteln in Hamburg drauf verzichten. Und das bei wenigen Minuten Fahrtzeit. Das sollte doch wirklich jeder verschmerzen können.
Ich befürchte außerdem nicht, dass so ein Vorstoß bundesweit dazu führen wird, dass man Alkohol nur noch zu Hause trinken darf oder ähnliches.
In Bussen und Bahnen – auch anderer Verkehrsgesellschaften – dürfen oft keine Telefonate geführt und Fast Food verzehrt werden. Fühlte sich da jemals jemand verärgert, weil er nur einmal kurz telefonieren oder nur eine kleine Pommes ohne zu kleckern essen wollte? Nein.
Das Verbot des HVV wird definitiv zu hoch gespielt und hat auf bundesweite Entscheidungen vorerst eh eine Auswirkungen.
Ich bleibe dabei: Der Vorstoß ist gut und unterstützenswert. Ob das Projekt Früchte tragen kann, wird sich in Zukunft zeigen.
Anonym
12. Dezember 2011 um 1:37In München gab es auch ein „Abschiedstrinken“, dass alle Vorurteile bestätigt hat: Es kam zu Ausschreitungen und erheblichen Sachbeschädigungen.