Ich bin auf dem Weg in die Innenstadt und verzichte bei diesem schönen Wetter auf den Bus. Auf meiner Wegstrecke liegt eine Filiale des Textil-Discounters KiK, die ich nicht ernsthaft beachte. Plötzlich entdecke ich allerdings doch im Schaufenster ein Plakat mit der Aufschrift „Zwei Worte. Ein paar Cents. Und alles wird gut.“ Ich soll also Gutes tun. Und das ohne großen Aufwand.
Das Prinzip ist denkbar einfach:
Ich suche mir bei KiK einen (oder mehrere) Artikel für beispielsweise 6,95 Euro aus und gehe damit zur Kasse. Regulär würde ich nun den besagten Betrag zahlen und mit der Ware den Laden verlassen. Möchte ich nun Gutes tun und die Aktion „Deutschland rundet auf“ unterstützen, reichen die zwei Worte „Aufrunden bitte!“ und schon zahle ich 7,00 Euro und habe zugleich 5 Cent (maximal 10 Cent sind möglich) an ein Spendenprojekt locker gemacht. Hat auch gar nicht weh getan. Darf ich mich jetzt gut fühlen?
Eine berechtigte Frage, die man genauer betrachten muss. Die DEUTSCHLAND RUNDET AUF Gemeinnützige Stiftungs-GmbH hat dieses Projekt ins Leben gerufen und will damit soziale Projekte in Deutschland fördern. 10 Cent sollte doch jeder dafür übrig haben, wo es schließlich um die Gesundheitsförderung von Grundschulkindern, die Unterstützung von jungen Eltern oder Integrationsprojekte geht. Und wirklich anstrengend ist es auch nicht, weil man es ganz einfach neben dem regulären Einkauf erledigen kann. Dieses Geld geht zu 100 Prozent an die Förderprojekte, sagt zumindest die Stiftung. Alle Kosten werden also nicht durch Spendenbeiträge gedeckt, wie es üblicherweise der Fall ist, sondern wird dieses durch die Mitgliedsbeiträge der Handelsunternehmen finanziert. Zudem wird mit unabhängigen Wirtschaftsprüfern und der gemeinnützigen AG PHINEO, die gemeinnützige Organisationen hinsichtlich ihrer Qualität und Leistungsfähigkeit analysiert, zusammengearbeitet. Glaubwürdige Rahmenbedingungen sind also gewährleistet, das Geld kommt bei den Projekten an und bereits über 246.000 Euro wurden durch knapp 6 Millionen Aufrundungen ermöglicht.
So toll das Projekt auch klingen mag, ist es letztlich kontraproduktiv. Aktuell nehmen Netto, Kaufland, Penny, Toom, Reno, SinnLeffers, SportScheck, Witt, WMF, Bonprix, Depot, Dodenhof, Douglas, Görtz und KiK teil und zahlen fleißig ihre Mitgliedsbeiträge. Als Konsument kann ich also zum Beispiel bei SportScheck Nike-Turnschuhe aus Kinderarbeit und Ausbeutung kaufen und spende dann bis zu 10 Cent, um ein soziales Projekt zu fördern. Paradox, nicht wahr? Zuerst müssen also Kinder und erwachsene NäherInnen für meinen überteuerten Turnschuh leiden und ich will dann die Welt mit lausigen 10 Cent besser machen. Das ist bei den anderen Textilunternehmen nicht anders. Bei Kaufland und Co. gibt’s dann noch die Tafelschokolade für 85 Cent, wo ich gnädigerweise noch ganze 5 Cent freiwillig drauflege. Das diese Schokolade beispielsweise von der Elfenbeinküste stammt und dafür täglich viele Kinder in der Kakaoernte leiden müssen, scheint beim Kauf egal zu sein. Ich kann es durch meine Spende schließlich wieder ausgleichen.
Das ganze Prinzip erinnert doch an modernen Ablasshandel: Große Konzerne zahlen einen Mitgliedschaftsbeitrag dafür, dass sie als Partner für ein angeblich soziales Projekt beworben werden, obwohl diese Konzerne letztlich Produkte aus Ausbeutung und umweltzerstörerischer Produktion verkaufen. Sie zahlen Geld dafür, dass sie sich als sozial und verantwortungsvoll zeigen dürfen. Aus ökonomischer Sicht lohnt sich das definitiv, weil viele Verbraucher nun ein (noch) besseres Empfinden über die einzelnen Ketten und Marken haben. Und auch der Kunde hat nun ein besseres Gewissen, weil er bei vermeintlich verantwortungsvollen Shops einkauft und durch seinen eigenen Beitrag angeblich viel bewegt, damit die Gesellschaft gerechter wird.
Erst Produkte aus schlechten Verhältnissen kaufen, um dann für bessere Verhältnisse zu spenden. Sehr merkwürdig. Würde man aber einfach auf die neuen Turnschuhe verzichten und die alten Treter noch viel länger tragen, könnte man die gesparte Differenz viel effektiver in soziale Projekte investieren und würde zugleich die Umwelt durch den nicht getätigten Kauf schonen. Wäre es nicht also ein naheliegenderer Ansatz, wenn die Unternehmen ihre Angestellten (z.B. im Einzelhandel) besser bezahlen würden und genau prüfen, welche Produkte sie eigentlich verkaufen, um mit Auslistungen darauf reagieren zu können?
Denn das wäre echte soziale Verantwortung!
Bildquelle: Nahtzugabe, Constanze Derham, CC BY-NC-ND 3.0
2 Kommentare
Moonie Moonix
1. Juli 2012 um 0:15Hey!
Ich habe die Werbung auch gesehen, sie aber nicht wirklich wahrgenommen. Was du schreibst ist richtig und regt zum nachdenken an, über den ganzen Schmuh, der getrieben wird mit den Konsumenen (wir) die nicht nachdenken wollen.
Ich habe nicht wirklich "Follower", aber vielleicht stolpern ja ein paar Leute über meinen Blog und werden somit auf diesen hier aufmerksam!
Mach weiter so!
Anonym
2. Juli 2012 um 5:29Natürlich ist es schade, dass zum Teil Firmen beteiligt sind, die Produkte anbieten, für deren Herstellung Kinder oder Geringsverdiener missbraucht werden.
Viel schlimmer finde ich die Firmen, die sich daran nicht beteiligen, die meiner Meinung nach aber für fair gehandelte Bioprodukte überteuerte Preise nehmen.
Die nutzen Verbraucher auf ihre Weise aus, da sie ungerechtfertigter Weise das mehrfache für z.B. ein T-Shirt nehmen als nötig.
Der Käufer soll das Gefühl haben, durch den hohen Preis etwas ganz besonderes zu bekommen.
Durch die extrem hohen – und meiner Meinung nach ungerechtfertigten – Preisen ist es dem größten Teil der Käufer leider nicht möglich, diese Sachen zu kaufen.
Denen bleibt leider nur der Gang zu KiK und Netto !!!!