Faire Kleidung/ Nachhaltigkeit & Umweltschutz

„Gute Arbeitsbedingungen und nachhaltige Materialien müssten eine Selbstverständlichkeit sein“

Ein angenehmes Rattern geht durch den Raum, in dem Sarah Kathrin Glaßner an ihrer Nähmaschine sitzt und akribisch an einem Rundschal arbeitet. Sie wirkt gelassen, lächelt zufrieden und legt das fertige Exemplar zu den anderen Stücken. Vor wenigen Tagen ist ihr Onlineshop gestartet und für sie beginnt damit ein ganz neuer Lebensabschnitt. „Für mich ist das alles ganz neu, aber mir gefällt die Herausforderung“, erzählt die frisch gebackene Unternehmerin. Eigentlich studiert sie Kommunikationsdesign an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel und hatte zuvor nie ernsthafte Berührungspunkte mit wirtschaftlichen Themen. Jetzt kümmert sie sich um die Administration des Shops, führt die Bücher, verhandelt mit anderen Unternehmen über gemeinsame Kollektionen und sitzt selbst an der Nähmaschine. Die Selbstständigkeit zu wagen, ist ein mutiger Schritt, der oftmals mit viel Zeitaufwand verbunden ist. Man muss das mögen, Sarah tut es.

Schals herzustellen und übers Internet zu vertreiben, ist letztlich nicht wirklich neu. Über Plattformen wie DaWanda bieten seit Jahren Hunderttausende Händler ihre selbstgemachten Produkte zum Kauf an – und das mit zunehmendem Erfolg. Die Nachfrage ist also durchaus vorhanden. Aber braucht es dennoch ein weiteres Label für handgefertigte Schals? „Konventionelle Schals gibt es sicherlich schon mehr als genug. Meine Produkte bieten aber eben noch einen gewissen Mehrwert, was mir besonders wichtig ist“, rechtfertigt sie ihre Kollektion. Damit ist gemeint, dass ihre Rundschals nach ökologischen und sozialen Gesichtspunkten hergestellt werden. Und das macht absolut Sinn: Neben recycelten Stoffen wird ausschließlich zertifizierte Bio-Baumwolle eingesetzt. Das Nähgarn wird aus recycelten PET-Flaschen gewonnen. Gute Arbeitsbedingungen bei der Baumwollernte und weiteren Verarbeitung sind durch entsprechende Siegel glaubhaft gewährleistet, die Endverarbeitung erfolgt dann in Handarbeit. Selbstverständlich kommen die Schals somit komplett ohne tierische Inhaltsstoffe aus und sind damit auch für VeganerInnen geeignet.

Derartige soziale und ökologische Aspekte werden besonders in der Modebranche zunehmend wichtiger, schließlich gingen in der Vergangenheit etliche Meldungen über Katastrophen in Fabriken namhafter Textilhersteller durch die Medien. Von eingestürzten und brennenden Fabrikgebäuden, sexueller Belästigung von Näherinnen, Unterdrückung von Gewerkschaften, unzureichender Arbeitsschutz, mangelhafter gesundheitlicher Versorgung und lebensunwürdigen Löhnen war die Rede. Selbst Kinderarbeit gibt es weiterhin. Die Probleme in der globalen Textilbranche sind nach wie vor katastrophal, täglich finden Menschenrechtsverletzungen statt.
Zunehmend mehr VerbraucherInnen sind mit diesen unmenschlichen Zuständen nicht einverstanden und suchen ganz bewusst nach glaubwürdigen Alternativen. In den letzten Jahren hat sich im Bereich der grünen Mode viel getan, schließlich haben faire und ökologische Kleidungsstücke längst nichts mehr mit kratzigen Stoffen und kartoffelsackähnlichen Schnitten gemein. Grüne Mode ist schick und längst gesellschaftstauglich. Diesem Anspruch werden Sarahs Produkte auf jeden Fall gerecht.

„Eigentlich müssten gute Arbeitsbedingungen und nachhaltige Materialien eine Selbstverständlichkeit sein. Es ist schon schade, dass man damit immer noch ein eher außergewöhnliches Geschäftsmodell verfolgt“, meint sie auf die Nachfrage, ob ihr diese Aspekte von Beginn an wichtig waren.
Diese Transparenz ist für sie von großer Bedeutung, was durch die oberkörperfreien Models versinnbildlicht werden soll. Jede/r soll also wissen, was er dort eigentlich für ein Produkt erwirbt. Auch der Name ihres Labels ist nicht ganz typisch, könnte aber passender gar nicht sein: „o. Oder O. Oder ein Kreis, ohne Ende nämlich, immer entlang der Form, rund herum, um dich herum – das vereint deinen neuen Schal und meine Idee von Nachhaltigkeit“, heißt es auf der Internetseite des Labels.

Zwar steckt das ganze Projekt noch in den Kinderschuhen und doch sind bereits die ersten wichtigen Schritte getan. Angefangen hat es schließlich mit einem alten Kleid, das in einzelne Teile zerschnitten und dann zu einem Schal verknotet wurde. „Ästhetisch war der nicht, aber die Idee faszinierte mich. Upcycling nannte man das dann und ich fand es prima“, merkt Sarah schmunzelnd an. Die Knoterei gefiel ihr nicht, sodass kurz darauf eine Nähmaschine angeschafft wurde und sie sich erste Grundkenntnisse aneignete. Immer mehr alte Kleidungsstücke, die zum Wegwerfen zu schade waren, wurden verarbeitet. Besonders ihr Freundeskreis war von Beginn an begeistert und trägt noch heute ihre ersten Schals. Als dann auch die letzten Kleidungsstücke verbraucht waren, kam die Idee mit den nachhaltigen Stoffen auf. Schneiderin würde sie sich aber trotzdem nicht nennen, das möchte sie auch gar nicht. Sie sieht es mehr als eine Art Hobby oder Leidenschaft.

Fragt man nach der betriebswirtschaftlichen Situation ihrer Unternehmung kommt zunächst ein ernüchterndes Seufzen, dann aber kann sie doch zufrieden lächeln: „Sich selbstständig zu machen, ist immer mit Investitionen verbunden. Es ist nicht leicht, sich in einer Welt, in der es eigentlich alles gibt, einen Namen zu machen und sein Zeug zu bewerben.“ Trotzdem zeigt sie sich entschlossen und optimistisch für die Zukunft. Erste Kooperationsverhandlungen mit anderen Unternehmen über gemeinsame Kollektionen laufen, etliche Interviewanfragen sind bereits eingegangen und auch sonst ist das erste Feedback positiv. Selbstständigkeit braucht eben auch Zeit und einen langen Atem.

Man darf gespannt sein, was die Zukunft noch so bringen wird. Sarah selbst hat dafür auch noch keine Idee: „Ich habe keinen Businessplan, mal sehen, wie es so läuft. Aber ich wünsche mir natürlich schon, dass das Projekt ankommt und es Erfolg haben wird, auf dem ich dann weiter aufbauen kann.“ Ihr selbst geht es nicht um Profite und schnelles Wachstum, was sie während unseres Gespräches mehrfach erwähnt. Sie versteht sich viel mehr als Teil einer großen Bewegung, die alle ihren kleinen Teil für eine bessere Gesellschaft leisten. „Ich mache auch nicht alles perfekt – wer macht das schon? Aber auch viele kleine Handlungen können eine große Veränderung bewirken. Man muss es nur machen“, erzählt sie zum Abschluss unseres Interviews.

Ein Blick in ihren Shop lohnt sich ganz bestimmt: „o. – all made of sustainable stuff
Auf ihrer Facebookseite finden sich neue Nachrichten zur Entwicklung des Projekts, die auch ohne eigenes Benutzerkonto gelesen werden können.

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