Ausstieg & Energiewende/ Politik & Protest

Aus der Geschichte nichts gelernt: In Japan geht das erste Atomkraftwerk wieder ans Netz!

Protest gegen Atomkraft in Japan

Ich erinnere mich noch gut an die Fernsehbilder, die bereits kurze Zeit nach der Katastrophe in Japan, am 11. März 2011, ausgestrahlt wurden. Live-Ticker lieferten den gesamten Tag über neue Nachrichten aus der betroffenen Region, überall sprachen die Menschen darüber und Fassungslosigkeit mischte sich mit Ratlosigkeit. Man bekam plötzlich ein Gefühl dafür, was eine solche nukleare Katastrophe tatsächlich bedeutet. Einstürzende Gebäudeteile, Explosionen und Brände – es kam zur Kernschmelze in mehreren Reaktoren, der Super-GAU war eingetroffen. Schlagartig musste die ganze Welt miterleben, dass Atomkraft nicht beherrschbar und kein Atomkraftwerk weltweit vor Naturkatastrophen – in diesem Fall Erdbeben und Tsunami – sicher ist. Neu war diese Erkenntnis natürlich nicht. Die Umwelt ist bis heute für eine für uns unvorstellbar lange Zeit verstrahlt und unzähligen Menschen und Tieren hat diese Tragödie das Leben gekostet – bis heute! Noch immer leiden unzählige Menschen bzw. die gesamte Präfektur Fukushima unter den Folgen.

Wenige Tage nach der Katastrophe versammelten sich in diversen deutschen Städten etliche Menschen zu spontanen Mahnwachen und Demonstrationen, forderten die sofortige und weltweite Abschaltung aller Atomanlagen und konkrete Hilfe für die erschütterte Region. Überall solidarisierten sich Menschen, gedachten der unzähligen Opfer. Es war eine Stimmung des Aufbruchs: Nie wieder Atomkraft! Ein für alle Mal Schluss damit!
Woche für Woche gingen die Menschen auf die Straße und forderten entschiedeneres Handeln von Seiten der Politik. Unmittelbar nach diesem Ereignis beschloss die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung den sogenannten Atomausstieg und plötzlich wurde Angela Merkel als „Ausstiegskanzlerin“ gefeiert. Man bedenke dabei, dass unter ihrer Führung nur wenige Monate zuvor eine Laufzeitverlängerung durchgesetzt wurde. Der Druck der Bevölkerung war nach Fukushima einfach zu groß. Angela Merkel handelte hierbei sicherlich nicht aus Überzeugung und ließ sich das Hintertürchen natürlich offen: Erst 2022 soll das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz gehen – bis dahin wird weiter strahlender Müll produziert, für den es bis heute kein sicheres Endlager gibt und auch in Zukunft nicht geben wird. Da dieser Ausstieg nicht im Grundgesetz verankert ist, kann auch nach 2022 jederzeit zur Atomenergie zurückgekehrt werden. Zumal dabei berücksichtigt werden muss, dass die Brennelementefabrik in Lingen und die Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau sowie alle damit verbundenen etwa wöchentlich stattfindenden Atomtransporte von diesem Ausstiegsgesetz nicht betroffen sind. Sie haben eine unbefristete Betriebsgenehmigung. Vom fehlenden Atomwaffenverbot mal ganz abgesehen: Vermutlich noch 20 US-Atombomben sind im Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel gelagert und sollen im Ernstfall von deutschen Tornados im Rahmen der sogenannten „nuklearen Teilhabe“ zu ihren Zielen geflogen werden. SPD und Grüne stimmten diesem halbherzigen Atomausstieg zu – entgegen ihrer stets zuvor genannten Wahlkampfversprechen, erheblich früher aus der Atomenergie auszusteigen. Glaubwürdig ist das jedenfalls nicht.
Acht Atomkraftwerke befinden sich alleine in Deutschland weiterhin am Netz und stellen damit potentielle Zeitbomben dar. Niemand kann ausschließen, dass sich vergleichbare Szenarien wie in Tschernobyl 1986 oder Fukushima auch hierzulande ereignen. Sollte es dennoch zu einem nuklearen Unfall kommen, wäre der deutsche Katastrophenschutz völlig unzureichend: Eine Evakuierung sämtlicher betroffener BürgerInnen und die Ausgabe der Jodtabletten an alle Menschen wären logistisch überhaupt nicht zu leisten. Zudem lassen sich im Vorfeld solche Szenarien für die entsprechenden Einsatzkräfte gar nicht proben. Nur eine sofortige Abschaltung schafft wirkliche Sicherheit und ermöglicht eine vernünftige Ausgangslage zur Suche nach einer Lagerstätte für radioaktive Abfälle.

Und wer nun glaubt, dass Deutschland nach wie vor auf diese Art der Stromversorgung angewiesen ist, irrt gewaltig: „In einer aktuellen Studie im Auftrag von .ausgestrahlt hat das Energiewende-Beratungsunternehmen Arepo Consult die vorhandenen Stromerzeugungskapazitäten untersucht. Demnach stehen selbst unter extrem pessimistischen Annahmen (Dunkelheit,
deutschlandweite Flaute, maximal hoher Strombedarf) rechnerisch genügend nicht-atomare Kraftwerke zur Verfügung, um den gesamten Stromverbrauch in Deutschland jederzeit zu decken. Auch in Süddeutschland, wo (inklusive Grafenrheinfeld) derzeit noch zwei Drittel der AKW stehen, müsste ohne AKW kein Licht ausgehen.“[1]
Erschreckend ist zudem die Tatsache, dass Deutschland auch nach der erst kürzlich erfolgten Abschaltung vom Atomkraftwerk Grafenrheinfeld zweitgrößter Atomstromproduzent der EU bleibt. Das belegen die Zahlen des „World Nuclear Industrie Status Report“. Bezogen auf die Gesamtsumme der im jeweiligen Land betriebenen AKW in Megawatt abgegebener elektrische Leistung bei vollem Betrieb kommt Deutschland auf 10.799, gefolgt von Großbritannien mit 9.373. An der Spitze steht Frankreich mit 63.130 Megawatt (Stand: Juli 2015).[2]

Aber selbst in Japan direkt hat man offensichtlich nicht aus der Katastrophe gelernt und das erste Atomkraftwerk nach zwei Jahren wieder ans Netz genommen. Japans Premier Shinzo Abe hat damit gegen den Willen der breiten Mehrheit innerhalb der Bevölkerung gehandelt. Der erste von zwei Reaktoren im 31 Jahre alten Atomkraftwerk Sendai, von fünf aktiven Vulkanen umgeben, ist wieder in Betrieb. Es ist ein krasser Rückschlag für die japanische Anti-AKW-Bewegung. Es wäre so wichtig gewesen, dass Japan seine Lehren aus Fukushima zieht und international als gutes Beispiel vorangeht. Mit der Inbetriebnahme zuvor stillgelegter Atomkraftwerke wird ein völlig falsches Signal ausgesendet. Die Regierung um Shinzo Abe zeigt sich vom Willen der Bevölkerung, nie wieder zur Atomkraft zurückzukehren, unbeeindruckt. Dieser Schritt wird – das ist aus Deutschland und anderen europäischen Ländern quasi im gleichen Wortlaut zu vernehmen – mit der Notwendigkeit der Atomenergie gerechtfertigt: Schließlich sei diese weitgehend sauber und unabdingbar für eine stabile Energieversorgung. Auch seien die Sicherheitsauflagen verschärft worden, was – und das zeigen diverse internationale Störfälle – am Ende keine Garantie für den Schutz vor atomaren Unfällen bedeutet. Zynische Behauptungen von Personen, die es eigentlich besser wissen müssten. Stromversorger und Kraftwerksbetreiber wie Kyushu Electric präsentieren sich – auch das kennen wir in Deutschland nur zu gut – als wichtige regionale Arbeitgeber und finanzieren zahlreiche Großprojekte. Auf diese Weise möchte man sich Sympathien innerhalb der Gesellschaft erkaufen. Zahlenmäßig ist die Opposition in Japan klein, die politische Mehrheit stimmt also für einen zukünftigen atomaren Kurs. Es geht am Ende eben doch nur um reine Profitmaximierung – auf Kosten von Mensch und Umwelt![3]

Das Atomkraftwerk Takahama soll als nächstes folgen. Die Atomlobby scheint zu erstarken, obwohl Japan – wie eben alle anderen Länder auch – vom Ausbau der erneuerbaren Energien erheblich profitieren würde und auf diese rückschrittige Form der Energieerzeugung nicht mehr angewiesen ist. Der Widerstand in Japan und auch bei uns hierzulande darf nicht abflachen. Wir müssen uns gemeinsam für eine Zukunft ohne Atomanlagen einsetzen, damit sich derartige schreckliche Ereignisse nicht wiederholen. Premier Abe muss das Atomkraftwerk Sendai umgehend wieder vom Netz nehmen![4]

Bildquelle Artikelbild oben: „4.24 Energy Shift Parade in Shibuya“ von Matthias Lambrecht unter der Lizenz CC BY-NC 2.0 via Flickr

[1] Atomausstieg 2015 – gehen ohne Atomkraftwerke die Lichter aus? – .ausgestrahlt (12.08.2015 00:16)
[2] World Nuclear Industrie Status Report (12.08.2015 00:40)
[3] Lill, Felix: Atomkraft in Japan: Entschieden unentschieden, in: Kieler Nachrichten (2015), Nr. 185, S. 3
[4] Atomkraft ist der neue Walfang – sueddeutsche.de (12.08.15 01:15)

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1 Kommentar

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    Vanessa von ÖkoLife
    12. August 2015 um 13:10

    oh nö 🙁

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