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Lebensmittelverschwendung – Wenn eine Gesellschaft im Überfluss lebt

Wer um 7 Uhr beim Bäcker kauft, kann sich sicher sein, dass er das komplette Sortiment in gewohnter Frische geboten bekommt. Die logische Schlussfolgerung wäre jetzt allerdings, dass die Backwaren zum späten Abend hin alle verkauft worden sind bzw. nicht mehr das komplette Sortiment in der morgendlichen Frische zu bekommen ist. Da könnte es dann schon mal passieren, dass man nicht mehr die gewünschte Brotsorte bekommt, wenn man gegen 18 Uhr noch beim Bäcker einkauft.
Für die Unternehmen wäre das jedoch ein Desaster, da man so nicht die Bedürfnisse aller Kunden befriedigen kann und nicht die gewünschten Umsätze erzielt werden. Aus diesem Grund werden so bewusst Backwaren im Überschuss produziert, damit die Regale auch am Abend noch reichlich gefüllt sind. Ein weiteres Problem ist, dass noch in den 70 er Jahren erheblich weniger Auswahl vom Kunden gefordert wurde. Heute kann der Kunde zwischen rund 60 Brot- und etwa 30 Brötchensorten wählen, was die Kalkulation natürlich noch schwieriger macht und somit auch dauerhaft gefüllte Regale erfordert. Da im Überschuss produziert werden muss, bleiben täglich rund 10 bis 20 Prozent der Backwaren unverkauft und landen fast ausschließlich im Müll. Alleine in Deutschland werden etwa 500.000 Tonnen Brot und Brötchen weggeworfen, da nur ein sehr geringer Teil an Tafeln gespendet wird. Selbstverständlich handelt es sich dabei um einwandfreie Ware, die noch problemlos verzehrt werden kann. Und genau hier offenbart sich das Paradoxon, da man auf der einen Seite die Wünsche aller Kunden erfüllen möchte, um den gewünschten Umsatz erzielen zu können und dann landen auf der anderen Seite viele produzierte Backwaren im Müll. Das ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht sehr schmerzhaft und schädigt unnötigerweise unser Klima, da alleine für ein Kilogramm Brot ganze 600 g CO2 ausgestoßen werden.

Aber nicht nur Backwaren sind von dieser enormen Verschwendung betroffen, da schätzungsweise die Hälfte aller deutschen Lebensmittel im Müll landet, was umgerechnet bis zu 15 Millionen Tonnen entspricht. Man muss lediglich die Müllcontainer der einzelnen Supermärkte näher betrachten und findet oft Produkte, die sogar noch mehrere Tage haltbar sind. So kann es schon vorkommen, dass man auf Nudeln, Reis und andere Produkte stößt, die noch einige Tage haltbar sind, meistens aber nicht gut liefen, weshalb dann der Restbestand vorzeitig entsorgt wird, um neuen Platz in den Regalen zu schaffen. Nicht nur bei den Backwaren wünschen die Kunden eine reichhaltige Auswahl, sondern auch in anderen Bereichen fordern wir ein umfangreiches Sortiment. So gibt es beispielsweise über 100 verschiedene Joghurtsorten, die die Kundschaft zum Kaufen animieren sollen. Man muss dabei gar nicht lange überlegen, um feststellen zu können, dass alleine diese ganzen Joghurts niemals alle verkauft werden und somit ebenfalls im Müll landen. Das gilt selbstverständlich auch für andere Milchprodukte, Getränke, Fleischwaren und sonstige Lebensmittel. Überall bekommen wir ein immer größeres Angebot zu immer niedrigeren Preisen. Den Herstellern kann es dabei oft egal sein, dass Produkte nicht verkauft werden, da immer öfter die Umsatzausfälle bereits mit in die Preise einkalkuliert werden und somit der wirtschaftliche Schaden in Grenzen gehalten werden kann.
Außerdem gibt es auch sogenannte Tagesartikel wie Salate, Lauchzwiebeln oder Bundmöhren, die alle nur einen Tag angeboten werden dürfen und somit oft nicht verkauft werden können. Ebenfalls wird auch frisches Obst und Gemüse aussortiert, was Stellen aufweist und damit nicht mehr so ansehnlich für den Kunden erscheint.
Michael Gerling vom Bundesverband Deutscher Lebensmittelhandel ist die Problematik nicht neu: „Heute leben wir im Überfluss und müssen satte Menschen hungrig machen.“ Genau hier steckt das Problem, da die Ansprüche der Verbraucher enorm gestiegen sind und somit die Lebensmittelhändler unter hohem Druck stehen. In keinem anderen Bereich der Wirtschaft gibt es soviel Verkaufsfläche und Wettbewerb wie im Lebensmittelhandel.

Was die Supermärkte tatsächlich wegwerfen, wird natürlich nicht offengelegt. Eine Untersuchung ergab jedoch, dass rund 45 Kilogramm genießbare Lebensmittel pro Filiale täglich entsorgt werden. Die Supermärkte orientieren sich dabei am Mindesthaltbarkeitsdatum des jeweiligen Produkts und sortieren dieses dann entsprechend nach Ablauf in den Müll. Problematisch daran ist allerdings, dass das MHD von der Industrie selbst festgelegt wird, keinen gesetzlichen Auflagen unterliegt und von keiner unabhängigen Institution bestätigt wird. Ein Supermarkt mittlerer Größe produziert auf diese Weise rund 500 bis 600 Tonnen Abfälle jährlich, da jeden Morgen das MHD geprüft wird und alles aus den Regalen genommen wird, was nicht mehr das angegebene Datum einhält. Die Hersteller machen es den Supermärkten ebenfalls schwer, da diese gezielt die Haltbarkeitsdaten noch mehr verkürzen und dieses mit erhöhter Vorsorge begründen.

Aber auch in Deutschland gibt es Protest gegen diese Lebensmittelverschwendung und eine im Überfluss lebende Gesellschaft. Mülltaucher werden sie genannt. Es sind eigentlich ganz normale Menschen, die es nicht akzeptieren wollen, dass so gedankenlos mit Lebensmitteln umgegangen wird. In der Regel sind sie in der Dunkelheit unterwegs und suchen gezielt die Mülltonnen von Supermärkten, Fabriken oder Bäckereien nach essbaren Lebensmitteln ab. Viele der Mülltaucher ernähren sich ausschließlich von diesem „Müll“, da sie eine große Auswahl haben und viele verschiedene Lebensmittel finden. Neben Backwaren, Obst und Gemüse, lassen sich auch Milchprodukte, Süßigkeiten und ähnliches finden. Gewiss gibt es auch hier Produkte, die tatsächlich schlecht und ungenießbar sind und doch ist der Großteil der Lebensmittel noch essbar, ansehnlich und hat teilweise nicht einmal das MHD überschritten. Bislang ist es noch eine sehr kleine Bewegung, die auch nicht ernsthaft im Visier der Polizei steht, obwohl Mülltaucher sich jedes Mal aufs Neue strafbar machen, da die Lebensmittel selbst in der Mülltonne noch das Eigentum des jeweiligen Händlers/Herstellers sind. Teilweise ist Mülltauchen auch unter „containern“ bekannt. Wie effektiv das sein kann, beweist der Blog „container.blogsport.de„.

Doch schon lange vor dem Supermarkt beginnt die Verschwendung, da beispielsweise auf dem Kartoffelacker jene Kartoffeln aussortiert werden, die entweder zu klein, zu groß oder fehlerhaft sind, da sie für das Kundenauge nicht ansprechend genug erscheinen. 40 bis 50 Prozent der Kartoffelernte bleibt so ungenutzt auf den Feldern zurück, obwohl es sich auch hier um einwandfreie Ware handelt. Ähnliches gilt für Gurken, die nicht gerade gewachsen sind, da diese sich nicht so gut in Kartons verpacken lassen. Auch sie landen dann im Müll. Das selbe Schicksal erleiden viele andere Obst- und Gemüsesorten, da auch hier der Handel nur genormte Ware wünscht. Des Weiteren landen täglich zahlreiche Fische und Meeresfrüchte im Müll, die nicht am gleichen Tag noch verkauft werden konnten. Auch hier wird nur ein minimaler Bruchteil verschenkt.

Es ist egal, ob wir über Süßigkeiten, Milch-, Fleisch- oder Fischprodukte sprechen und es ist ebenfalls egal, ob wir über Obst, Gemüse oder Getränke reden, da alles im Müll landet, obwohl es oft noch genießbar ist und ab und an nicht mehr die gewünschte Optik hat. Dieser Überfluss und diese Verschwendung stellen ein Problem für die Menschheit, die Tiere und unsere Umwelt dar, weil weltweit Millionen Menschen hungern – obwohl wir gute Lebensmittel gedankenlos wegwerfen. Wir stellen zu hohe Erwartungen und sind von diesem ständigen Konsum längst übersättigt. Außerdem sterben jeden Tag unzählige Tiere, die umsonst gestorben sind, da auch diese Lebensmittel im Müll landen. Gleichzeitig fügen wir auf diese Weise der Umwelt einen erheblichen Schaden zu, weil alle Produkte unter hohem Energieeinsatz hergestellt werden müssen und gerade Obst und Gemüse oft weite Transportwege hinter sich haben, um dann schließlich doch nur im Müll zu landen. Wahrlich ein extrem sinnloses System.
Darüber hinaus sollte man auch an Menschen denken, die sich nicht einmal frisches Obst und Gemüse leisten können. Sie wären dankbar für solche Lebensmittel und doch landen diese einfach im Müll. Tafeln und andere Hilfsorganisationen werden schließlich nur mit einem Bruchteil versorgt, obwohl der Bedarf groß ist.
In Afrika wirkt sich die Lebensmittelverschwendung ebenfalls aus, da dort beispielsweise riesige Bananenplantagen existieren, die, aufgrund des großen Bedarfs, stets vergrößert werden müssen. Auf diese Weise verlieren Kleinbauern ihr Land und können ihre Familien nicht mehr ernähren. Auch hier sind die weggeworfenen Bananen mit verantwortlich für diese Ungerechtigkeit.
Doch auch die privaten Haushalte gehen mit Lebensmitteln unverantwortlich um, da beispielsweise in Österreich jeder Haushalt im Durchschnitt Lebensmittel im Wert von 400 Euro in die Tonne gibt.

Die Menge an Lebensmitteln, die in Europa und Nordamerika weggeworfen wird, würde 3 Mal reichen, um alle Hungernden der Welt zu ernähren. Wir müssen also bei uns anfangen und unser Konsumverhalten ändern. Dafür müssen wir unsere eigenen Ansprüche senken und auch Lebensmittel kaufen, die vielleicht nicht unsere erste Wahl gewesen sind. Viele Supermärkte setzen kurz vor dem Ablaufen der Produkte die Preise runter, was man als Verbraucher sehr gut ausnutzen kann, um so Produkte vor dem Müll zu retten und gleichzeitig Geld zu sparen. Es muss einem stets klar sein: Wir werfen Lebensmittel weg, obwohl Menschen hungern, Tiere sterben und unsere Umwelt leidet.

Bildquelle: By User:Mattes (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

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1 Kommentar

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    Sebastian
    6. August 2011 um 11:54

    der Dokumentarfilm TASTE THE WASTE deckt ein System von globaler Lebensmittelverschwendung auf.
    Ab dem 8. September in den Programmkinos. Eine Kritik zu dem Film gibt es schon jetzt unter:
    http://www.critic.de/film/taste-the-waste-2893/

    Außerdem gibt es noch interessante Webseiten und direkte Aktionen als Bewegung gegen Verschwendung und für mehr Wertschätzung von Essen: http://www.tastethewaste.de
    http://www.facebook.com/tastethewaste.de

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