Es ist der 24. Dezember und im ganzen Land wird Weihnachten gefeiert: Ein festlich geschmücktes Wohnzimmer, ein prunkvoller Weihnachtsbaum und darunter zahlreiche Geschenke. So kennen wir das eben.
Und genau das hat die Elektronik-„Fachmarktkette“ Media Markt für seine neue Werbekampagne aufgegriffen und verfehlt damit einmal mehr den eigentlichen Sinn des Weihnachtsfestes:
Die Mutter sitzt mit zufriedenem Lächeln im Wohnzimmer, während ihre drei Söhne gemeinsam ein Geschenk auspacken: Eine Nintendo Wii von Media Markt. Plötzlich sind die Kinder nicht mehr zu halten, springen übertrieben durch das Zimmer und rufen „Wii“. Sie sind nicht mehr zu bändigen vor Freunde und auch die Eltern sehen sichtlich erleichtert aus, denn sie haben das passende Geschenk gefunden. Anscheinend kann man Kinder heute nicht mehr anders glücklich machen, denn Fußball, Actionfiguren und Lego sind laut dem Konzern offensichtlich nicht mehr gefragt.
Ein dicker, bärtiger Mann mit langen Haaren und ein älterer Herr, wahrscheinlich dessen Vater, sitzen in einem geschmückten Bürozimmer und beschenken sich gegenseitig. Es wirkt so harmonisch. Dann öffnet der Sohn sein Geschenk und holt einen Laptop aus dem Karton hervor, was auf den ersten Blick nicht besonders wirkt. Doch er kann sein Glück kaum fassen, springt mit dem Laptop durch das Zimmer und lacht vor Freude, natürlich bekommt auch der Vater noch seine verdiente Umarmung.
Ist es noch richtig hierbei von Freude zu reden? Zwei Mädchen bekommen ein iPad von Apple geschenkt, küssen es (!) und lachen – dabei sind sie vielleicht gerade 12 Jahre alt. Media Markt will zahlreichen deutschen Eltern also tatsächlich eintrichtern, dass auch jüngere Kinder bereits durch Technikprodukte glücklich gemacht werden können. Die beiden brauchen gar keine Barbiepuppe mehr und selbst der Traum vom eignen Pferd scheint vergessen, schließlich haben sie jetzt einen Tablet-PC. Ein Gerät, dass sie vorher nicht gekannt und auch nie für nötig empfunden haben. Viele Eltern wären sicherlich auch niemals auf den Gedanken gekommen, dass es angebracht ist, solch ein Gerät zu verschenken. Zum Glück weiß Media Markt, was Kinder zu Weihnachten wirklich brauchen.
Ein weiterer Spot zeigt eine Familie beim Auspacken der Geschenke, die Großeltern dürfen dabei natürlich nicht fehlen. Die Oma überreicht ihrer Enkeltochter ein kleines Päckchen, dass von dieser dann würdigungslos und total verkrampft aufgerissen wird. Sie schaut also gar nicht auf das schöne Geschenkpapier und denkt ebenfalls gar nicht daran, wie viel Mühe das Einpacken gemacht hat. Da ist es, endlich! – sie kann ihr so sehnlichst gewünschtes Smartphone in den Händen halten, küsst es (!) und kreischt vor Freunde. Ja, sie küsst es und gibt ihrer Großmutter lediglich eine Umarmung. Verkehrte Welt. Zum Abschluss wird dann noch ein Gruppenfoto mit dem neuen Alleskönner gemacht. Omi sei Dank gehört die schätzungsweise 18-Jährige Enkelin mit dem Smartphone endlich auch „dazu“. Ein bisschen aber auch Media Markt sei Dank.
Die zwei Jungs schauen enttäuscht auf ihren kleineren Bruder, der extrem hyperaktiv durch das Zimmer springt und „PlayStation“ schreit. Sie haben schließlich nur ein Fernrohr und ein Brettspiel bekommen. Und weil der Pappi so spendabel zum jüngsten Sohn war, bekommt er sogar noch eine Umarmung. Und die hat ja letztlich auch nur schlappe 250 Euro gekostet.
Zu meiner Zeit haben 8-Jährige Mädchen noch Polly Pocket, Barbie oder irgendwas mit Pferden geschenkt bekommen, wie altmodisch. Media Markt setzt uns ein kleines Mädchen dieser Altersklasse vor, welches dermaßen penetrant schreit und sich gar nicht mehr einkriegen kann. Daraufhin hält sie eine rosafarbene Kompaktkamera hoch. Was soll das? Man muss kein Pädagoge sein, um zu wissen, dass Kinder in diesem Alter doch noch gar keine Kamera benötigen. Was sollen diese damit fotografieren, wem wollen sie die Bilder zeigen und können kleine Kinder damit überhaupt korrekt umgehen? Teurer Staubfänger eben. Auch hier will Media Markt erneut klar machen, dass Eltern mit gutem Gewissen solche Geräte bereits an so kleine Kinder verschenken können.
Media Markt hat noch weitere Werbespots mit ähnlichen Inhalten veröffentlicht, um gezielt verschiedene Käuferschichten zu erreichen und suggerieren zu können, dass Weihnachten ohne solche Technikprodukte kein besinnliches Fest werden kann. Es soll fleißig gekauft werden, weil wir uns bewusst einreden lassen, dass unsere Liebsten sich nur noch durch teure Geschenke glücklich machen lassen und der zunehmende Materialismus der eigentliche Sinn des Weihnachtsfestes ist. Satt werden wir anscheinend nie, sondern verlangen weiterhin nach Konsumgütern dieser Klasse. Weihnachten wird dabei aus den Augen verloren und artet in schäbigen Konsumorgien aus. Hauptsache teuer, angesagt und richtig schön modern müssen die neuen Geschenke sein, damit die alten Gerätschaften gleich im Müll landen können. Ist doch egal, was mit der Umwelt passiert…
Dabei sollten die eigene Familie und das Miteinander im Vordergrund stehen. Wer schließlich doch irgendwelche Unterhaltungselektronik verschenkt, outet sich als unkreativ und gedankenlos. Echte Geschenke erfordern eben doch viel Liebe, Kreativität und Zeit – das lohnt sich aber auch und zaubert dem Beschenkten mindestens genauso ein Lächeln ins Gesicht. Ob Barbie, Lego und Co. bessere Geschenke waren, bleibt auch weiterhin fragwürdig. Mit dieser Unterhaltungselektronik haben wir eine neue Dimension erreicht und wissen nicht, wohin uns das noch führen wird…
Weihnachten wird nicht unterm Baum entschieden!
5 Kommentare
L'inutile
4. Dezember 2011 um 15:46Super geschrieben und du hast so Recht, mich regt diese Werbung mittlerweile so sehr auf, dass ich mir überlege den Fernseher komplett abzuschaffen, man verpasst ja eh nichts….
Anonym
5. Dezember 2011 um 20:49Zur Abschaffung des Fernsehers kann ich nur raten.
Diese Werbung ist einfach abartig. Aber irgendwie hat die Werbeagentur doch erreicht, was sie sollte: Die Elektronikmärkte ins Gespräch bringen. Ob nun daraus ein noch negativeres Bild, bei den Leuten die Media Markt ohnehin nicht mögen, resultiert, ist egal. Ich sehe die Werbung daher auf der gleichenen Ebene wie die Bild-Werbung. Es ist ja längst nicht mehr so, dass Werbung alles gut darstellen muss.
Auch diese gewollt amateurhafte Aufnahmeweise, die in häufigem Wackeln, schlechter Kameraführung und übertriebener Bleiche Ausdruck findet, wirkt dabei nochmals ästhetisch abstoßender und es wird sehr deutlich, dass das ganze gut durchgeplant wurde und alles so gewollt und geplant ist (von den Aufnahmen, über die Verbreitung bis zur Kontroverse).
Anonym
9. Dezember 2011 um 17:44Erleichterung…nicht nur mir geht das so mit dieser Werbekampagne. Dabei kenne ich nur die Plakate (meinen Fernseher habe ich schon seit längerem abgeschafft)und selbst die bringen mich mich mit ihrer Botschaft schon auf die Palme. Wobei ich sagen muss, dass meine Tochter mit 8 auch schon einen eigenen Fotoapparat hatte, ein Herzenswunsch von ihr,ich denke, dass Kinder heute tatsächlich schon früh mit Technik umgehen können. Mir war das jedenfalls lieber, als Barbies kaufen zu müssen. Ich sehe die Problematik der Werbekampagne aber ebenso vor allem darin, dass Weihnachten zu einem Kampf um Liebe verunstaltet wird, was es leider viel zu oft ohnehin ist. Aber hier wird das ganze regelrecht als erstrebenswerter Normalfall dargestellt, als Krieg am heiligen Abend, einfach nur bekloppt.
Anonym
13. Dezember 2011 um 22:20Krass, ich hab kein Fernseher & wusste bis eben nichts von dieser Kampagne.. & es macht mich wütend. Meinen Fernseher zu verschenken war die beste Entscheidung meines Lebens!
Anonym
30. Dezember 2011 um 8:32Auch wenn es schon ein wenig her ist, und wir nun langsam anfangen, Feuerwerkskörper zu hamstern:
Ich habe mich Jahrelang über die komerzialisierung von "Weihnachten" aufgeregt, habe mich mit allen Mitteln gegen alles gewehrt, aber ich habe es niemals geschafft, den Konsumwahn einzudämmen.
Dieses Jahr war alles anders. Ich habe soviel Geld ausgegeben wie nie, meine Mitmenschen beschenkt und getan und siehe da: Mein Weihnachtsfest war das lässigste, was ioch je erleben durfte. Kein Stress, die teuren Geschenke waren schon im November verpackt, und ich hatte eine Weihnachtsbaum, der viel zu groß und vor allem auch viel zu teuer war. Und ich bin ganz entspannt durch die Feiertage gekommen.
Man kann sich über Konsumwahn oder so jedes Jahr aufs neue aufregen, aber abschaffen wird man es nicht.
Wenn man aber das Weihnachtsfest als Fest des Schenkens bewusst erlebt, und das eigentlich "Fest der Liebe" komplett ausblendet, dann reicht es, die Kindermette zu besuchen und sich in diesen 30-60 Minuten mal so richtig zu entspannen.