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Carrotmob – Kaufen für die Umwelt?

Beim Carrot Mob wird konsumiert, um die Einnahmen in nachhaltige Projekte zu investieren

Vor einem Spätkauf steht eine Handvoll Leute, von jung bis alt gemischt und sie alle sind wegen dem Carrotmob vor Ort. Sie möchten sich aktiv für das Klima einsetzen und durch den Kauf von Produkten etwas verändern. Nacheinander betreten sie den kleinen Kiosk und kaufen fleißig ein: Schokoriegel, Getränke, Eis und viele weitere Produkte gehen über die Ladentheke. Es herrscht eine ausgelassene und angenehme Stimmung, alle sind sich einig, dass sie sich in diesem Moment aktiv für den Klimaschutz einsetzen und diese Aktion einen großen Effekt haben wird. Nach rund drei Stunden ist die Aktion vorbei, der sogenannte Späti wurde fast komplett leer gekauft und zugleich konnte ein großer Umsatz generiert werden. Gut fürs Klima, natürlich. Es klingt wirklich toll und wirkt sehr einfach. Klimaschutz ohne großen Aufwand eben. So toll es auch klingen mag, ist es im Endeffekt allerdings nicht.

Die Aktionsform Carrotmob ist eine besondere Form des Smart Mobs, also eine Art Flashmob mit ernsthaftem Hintergrund. Dabei werden beispielsweise mehrere Supermärkte, Restaurants usw. in einer Stadt angefragt, ob sie den, in einer bestimmten Zeit, generierten Umsatz bzw. einen Teil davon in die klimaschonende Sanierung ihres Ladengeschäfts investieren würden. Anschließend müssen die Ladenbesitzer angeben, wie hoch dieser Anteil vom Umsatz sein wird. Der höchste Prozentsatz bekommt dann den Zuschlag, sodass über verschiedene soziale Netzwerke Menschen für einen bestimmten Zeitpunkt zu diesem Laden mobilisiert werden. Diese sollen dort deutlich mehr kaufen/konsumieren, als sie es sonst üblich tun würden. Alles halt für den guten Zweck. Seinen Ursprung nahm der Carrotmob im März 2008 in San Francisco, von wo aus sich diese Aktionsform über die ganze Welt verteilte. So fanden bereits Aktionen in Finnland, Frankreich, Kanada und auch in Deutschland statt. Die Bezeichnung ist im Übrigen eine Ableitung von der Möglichkeit, einen Esel zu motivieren, indem man ihm eine Karotte vor die Nase hält.
Und das läuft in diesem Fall sehr ähnlich ab, da man als Konsument einen Mehrkonsum und höhere Umsätze verspricht, wenn der ausgewählte Ladenbetreiber im Anschluss zum Beispiel umweltfreundliche Kühlschränke oder neue Glühbirnen im Geschäft einsetzt.

Hach, es klingt wirklich zu gut und hat in der ganzen Republik bereits Anklang gefunden. Nicht nur in Berlin wurde ein Späti beinahe leer gekauft, sondern auch in München aß man Döner für die gute Sache und in Hamburg wurde an einem ganzen Tag fleißig in einem Supermarkt eingekauft. Oldenburg veranstaltete eine klimaschädliche (man bedenke hierbei alleine die gigantische Beleuchtung eines solchen Clubs) Carrotmob-Party und auch in zahlreichen anderen Städten fanden ebenfalls bereits solche Mobs statt. Das Interesse an dieser Aktionsidee wird immer größer und Konsumenten sowie Geschäftsleute sind gleichermaßen zufrieden damit.
Es symbolisiert sehr gut, wie stark Verbrauchernetzwerke Einfluss nehmen und Dinge ändern können. Dennoch bleibt es bei dieser symbolischen Wirkung, weil der Carrotmob viel mehr eine Spaßveranstaltung ist und das eigentliche Problem nicht an der Wurzel anpackt.

Zunächst geht es allen TeilnehmerInnen darum, dass sie bewusst mehr konsumieren und dieses als Buycott bezeichnen. Sie sind der Überzeugung, dass ein Boykott der falsche Lösungsansatz sei und man lieber den Schulterschluss mit der Wirtschaft wagen sollte. Lieber mehr Produkte kaufen, statt zu verzichten, was dem Klima durchaus eher zu Gute kommen würde. Schließlich muss weiterhin die Frage gestellt werden, was für einen Sinn der Kauf konventioneller Produkte in einem Spätkauf oder Supermarkt hat. Eigentlich ist es doch mehr als kontraproduktiv, wenn plötzlich verstärkt Konsumenten Coca-Cola, Nestle-Schokoriegel, fleischhaltige Bifi oder Kaffee aus Kinderarbeit aus dem Laden tragen. Bereits damit haben sie schon so erheblich das Klima geschädigt und Menschenrechtsverletzungen finanziell unterstützt, dass ein umweltfreundlicherer Kühlschrank oder Energiesparlampen dieses niemals ausgleichen können. Der Carrotmob sollte also nicht in einem Einzelhandelsgeschäft oder Restaurant stattfinden, sondern muss bewusst auf die Hersteller zugegangen werden, weil doch bereits die Rohstoffgewinnung, der Herstellungsprozess sowie der damit verbundene Transport für die negativen Klimaauswirkungen verantwortlich sind. Es werden beim Carrotmob also stets die falschen Adressaten angesprochen. Demokratische Verhältnisse schaffen und Einfluss auf Konzerne nehmen zu können, ist durchaus wünschenswert und geradezu notwendig.

Grundsätzlich bleibt also festzuhalten, dass der Carrotmob lediglich eine hippe Spaßveranstaltung für all jene ist, die tatsächlich denken, dass die Umwelt auch ohne eindeutige Konsumkritik geschützt werden kann. Durch den Kauf von Produkten, die man also gar nicht benötigt und die zugleich aus fragwürdigen Herstellungsprozessen stammen, wird nachhaltig ein viel größerer Schaden angerichtet. Nur wenn bewusst Produkte nicht erworben werden, setzt man ein Zeichen gegen ausbeuterische Verhältnisse und für ökologisch-gerechtere Produktionsweisen. Es nutzt den Herstellern, die so eine stärkere Akzeptanz für ihre Produkte erhalten und auch die Ladenbetreiber machen, trotz Sanierung, ein richtig gutes Geschäft. Für die Umwelt kommt unterm Strich nichts dabei herum. Ganz im Gegenteil.

Bildquelle Artikelbild oben: „_DSC6691“ von Charleston’s TheDigitel unter der Lizenz CC BY 2.0 via Flickr

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