Ernährung/ Konsum & Kritik/ Nachhaltigkeit & Umweltschutz

Es geht um die Wurst: Warum Fleischersatzprodukte eben doch kein Problem sind und die klassische Grillsaison nervig ist

Vegane Tofuwurst im Brötchen mit Senf und Ketchup

Langsam steigen draußen die Temperaturen, die Abende werden länger und viele Menschen warten schon auf die erste Gelegenheit, endlich ihren Grill anschmeißen zu können. Kabarettist Hagen Rether hat die Situation vor einigen Jahren passend auf den Punkt gebracht: „Grillen ist Hobby. Es gibt Fernsehwerbung für Grills. Grills kannst Du an jeder Tankstelle kaufen. Du fällst über diese scheiß Grills überall. Es gibt doch keine Kloschüsselwerbung im Fernsehen, oder Türklinkenwerbung. Gibt’s überall in jedem Baumarkt.“[1]

Ja, es stimmt, immerhin kostet ein durchschnittlicher Grill etwa 50 bis 150 Euro und wem das noch nicht hochwertig genug ist, der kann noch wesentlich mehr Geld für lediglich einen Grill ausgeben. Diese Ausführungen verfügen nämlich über etlichen Schnickschnack wie beispielsweise eine beleuchtete Grillfläche, den theoretisch kein Mensch benötigt. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass es für dieses breite Angebot auch eine entsprechende Nachfrage gibt: Im Rahmen einer Studie des IFH Branchenfokus zum Grillverhalten und den Absatzzahlen im Grillsektor in Deutschland wurde der Zeitraum von 2007 bis 2011 untersucht. Demnach gaben die Deutschen für Grillgeräte, Brennstoffe und Grillzubehör jährlich etwa 1,1 Milliarden Euro aus, also durchschnittlich etwas mehr als 13,00 Euro pro Kopf. Zweidrittel des Umsatzes wird dabei ausschließlich durch den Verkauf von Grillgeräten erzielt. Gründe dafür sind unter anderem die zunehmende Popularität von höherpreisigen und großvolumigen Geräten oder gar die Anschaffung von Zweitgeräten.[2]
Hierbei handelt es sich anscheinend um teures Spielzeug, an dem vor allen Dingen vermeintlich echte Männer ihren Gefallen gefunden haben. Es ist zwar ein sehr traurig anmutender Anblick, wenn Männer stolz das tote, ungesunde Tier auf dem Grillrost wenden und die dabei entstehenden Flammen gar mit Bier auslöschen, wenngleich ein solches Verhalten anscheinend gesellschaftlich toleriert oder gar gewollt ist.
Die Holsten-Brauerei AG hat vor einigen Jahren einen Werbespot veröffentlicht, in dem sich so einiger Klischees bedient wurde. Die Frau isst natürlich nur vegetarische Gemüsespieße und die „echten“ Kerle hauen sich das riesige Stück Fleisch auf den Grill. Richtig männlich eben. Revierverhalten nennt die Brauerei das. Auch dafür findet Hagen Rether die passenden Worte: „Da stehen dann traurig schwitzende Männer vor, schmeißen sich pfundweise diese toten Proteine auf die Kohlen. Anschließend furzen sie tagelang wie die Klingonen.“[3]

Die Grillsaison ist vom Fleisch dominiert und für die allermeisten Menschen wäre es wohl unvorstellbar, wenn plötzlich Gemüse, Tofu, Seitan und andere pflanzliche Produkte auf dem Grill landen würden. Was oftmals zu Unrecht ausschließlich Frauen zugeschrieben wird, ist für vegetarisch und vegan lebende Menschen eine willkommene Alternative zum Fleisch. Dennoch wird man in Kreisen, die sich mit vegetarischer/veganer Ernährung nie ernsthaft auseinandergesetzt haben, oft mit der verzweifelten Frage „Was kannst du beim Grillen eigentlich noch essen? Fleisch isst du ja nicht…“ konfrontiert. Das nervt, schließlich muss man dann stets erklären, was es für ein reichhaltiges Angebot gibt und man lediglich ein paar Rezepte ausprobieren muss bzw. Fleischersatzprodukte heute auch in konventionellen Supermärkten zu bekommen sind. „Fleischersatzprodukte? Warum isst du Dinge, die echtem Fleisch nachempfunden sind? Das ist doch total unglaubwürdig und inkonsequent…“ heißt es dann mit empörter Stimme.

Doch was spricht gegen solche Ersatzprodukte? Was spricht gegen eine Wurst aus Tofu oder ein Seitan-Schnitzel? Natürlich nichts. Die Form hat sich als praktisch bei der Zubereitung und dem Verzehr erwiesen. Wäre es unproblematischer, wenn die Hersteller auf Herzen und Dreiecke umstellen würden?
Als VegetarierIn oder VeganerIn hat man anscheinend sofort Tränenausbrüche oder Brechreiz zu kriegen, wenn man ein Nahrungsmittel, welches annähernd wie Fleisch aussieht, riecht oder schmeckt auf dem Teller vor sich liegen hat. Die Tränenausbrüche und den Brechreiz müssten eigentlich die Leute bekommen, die zufrieden am Grill stehen und ihr Billigfleisch brutzeln, immerhin stammt dieses mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit aus qualvoller Massentierhaltung, die doch irgendwie niemand gerne möchte. Von Tiertransport und Tötungsprozess mal ganz abgesehen.
Und wer eben solche Ersatzprodukte konsumiert, zerstört damit nicht automatisch den Regenwald – dieser Irrglaube hält sich in der Gesellschaft dennoch weiterhin standhaft. Namhafte Hersteller beziehen ihr Soja beispielsweise von Feldern aus Deutschland, Italien, Frankreich oder Österreich. Außerdem gibt es bereits Produkte mit Lupinen-Anteil, wobei auch hier die Pflanze in Deutschland angebaut wird. Außerdem tragen die Fleischersatzprodukte verschiedene Bio-Siegel, sodass sie garantiert ohne Gentechnik auskommen. Darüber hinaus profitieren auch hiesige Landwirte vom Anbau dieser Pflanzen und die Umwelt wird durch kürzere Transportwege entlastet.[4]
Tatsächlich zerstört der Anbau von Soja sehr große Teile des Regenwaldes in Südamerika, was auf einen international steigenden Fleischkonsum zurückzuführen ist. Es wird vor allen Dingen an Schweine und Hühner in der Massentierhaltung in Europa verfüttert.[5] Hinzu kommt, dass für die Herstellung von lediglich einem Kilogramm Fleisch ganze 7-16 Kilogramm Getreide oder Sojabohnen benötigt werden. Damit ist Fleischkonsum nicht nur die ineffizienteste Ernährungsform, sondern auch noch ein echter Klimakiller. Von den Verteilungskonflikten um Nahrungsmittel und dem damit verbundenen weltweiten Hunger vieler Menschen mal abgesehen.[6]

Tofuwurst und Sojaschnitzel erleichtern Menschen den langsamen Umstieg auf eine vegetarische/vegane Lebensweise, weil sie neben der gewohnten Form teilweise auch einen fleischähnlichen Geschmack erleben. Wer also den Konsum von Fleisch aus ethischer Sicht ablehnt, sich geschmacklich dennoch für Fleisch erwärmen kann, wird hier die eine oder andere passende Alternative finden. Viele Produkte schmecken dennoch gänzlich anders und haben somit nur äußerliche Gemeinsamkeiten zum toten Tier. Und das ist letztlich auch vollkommen in Ordnung, da längst nicht alle Ersatzprodukte zum Zweck des „perfekten“ Fleischimitats hergestellt werden.
Des Weiteren dürfte es doch gar nicht ungewöhnlich sein, dass es eine Alternative zum Fleisch gibt. Ansonsten müssten sich zum Beispiel die Kaffee-TrinkerInnen auch über Tee aufregen, Süßstoff wäre als Ersatz zum konventionellen Zucker verpönt und was ist eigentlich mit Duschgel als Alternative zur Seife?

Selbstverständlich soll an dieser Stelle nicht der Eindruck entstehen, dass eine vegetarische/vegane Lebensweise nur aus Fleischersatzprodukten besteht, schließlich gibt es auch einige Menschen, die komplett darauf verzichten und sich dennoch rein pflanzlich ernähren. Es ist eben ein Stück weit auch eine Geschmacksfrage. Und ganz günstig sind Veggie-Burger, Tofu-Aufschnitt und Co. ohnehin nicht, sodass ein Konsum in Maßen sowieso angebracht wäre.

VegetarierInnen und VeganerInnen sollten sich also auch, wenn sie möchten, an den Grill stellen und stolz Gemüse und Fleischersatzprodukte zubereiten. Im Idealfall wird das Ganze dann durch eine Vielfalt an Salaten und Antipasti abgerundet. Dann steht einem gelungenen Grillabend eigentlich nichts im Wege. Umwelt, Tier und eigene Gesundheit werden es einem danken. Auch wenn die FleischesserInnen das mit den Ersatzprodukten wohl nie verstehen werden.

Bildquelle Artikelbild oben: „Field Roast Veggie Sausage“ von Christopher Porter unter der Lizenz CC BY-NC-ND 2.0 via Flickr

Quellen:
[1] Hagen Rether „Die Wahrheit über Fleisch“ – youtube.com (12.05.2014 02:20)
[2] IFH: Grillen wird zum Ganzjahrestrend – markt-studie.de (12.05.2014 02:27)
[3] siehe [1]
[4] „Wer Sojaprodukte isst, zerstört den Regenwald“ – vebu.de (12.05.2014 03:18)
[5] Tausendsassa Tofu – greenpeace-magazin.de (12.05.2014 03:26)
[6] „Fleisch ist ein Stück Lebenskraft“ – pro-regenwald.de (12.05.2014 03:33)

Das könnte Ihnen auch gefallen

2 Kommentare

  • Kommentieren
    Nirasavetheworld
    29. Mai 2014 um 11:59

    Super Artikel! Bei dem Teil, wo du beschrieben hast, wie ein wohl "echter" Mann grillt musste ich fast Tränen lachen!
    Und du hast wahrscheinlich recht damit, dass Fleischesser das mir den Ersatzprodukten wohl leider nie verstehen werden..
    Ich persönlich habe bisher noch nicht viele Ersatzprodukte gegrillt, sondern esse dann viel lieber gegrilltes Gemüse mit Salat und (Grill)-Kartoffeln oder Brot.

    ~ Nira

  • Kommentieren
    Ilona von denkARTig
    31. Mai 2014 um 6:37

    Deine Alternativen-Auflistung ist der Burner. Halte mich persönlich zwar, abgesehen vom natur Tofu und selbstgemachten Seitan, vollkommen von Fleischersatzprodukten fern, kann jedoch diese pauschale Abneigung und Verurteilung nicht verstehen. Erstmal probieren, am besten auch öfters, und dann beurteilen. Schätze aber mal das ganze wird sich nach und nach legen. Irgendwann ist es so normal wie Duschgel.

  • Schreibe einen Kommentar zu Nirasavetheworld Antworten abbrechen

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert