Frieden & Antimilitarismus/ Politik & Protest

Darum bin ich Kriegsdienstverweigerer

Bundeswehr: Soldaten bei einer Gefechtübung

Seit Dezember 2001 sind deutsche Truppen in Afghanistan stationiert, „um zu verhindern, dass das Land wieder zum Rückzugsraum internationaler Terroristen wird.“ (Zitat: bundeswehr.de)
Der perfekte Zeitpunkt, um diesen Kriegseinsatz zu rechtfertigen, da am 11. September Anschläge auf das World Trade Center in New York verübt wurden. Die ganze Welt wurde durch die Medien in Angst und Schrecken versetzt und das war auch noch mehrere Monate danach zu spüren, weshalb die damalige Bundesregierung problemlos Truppen nach Afghanistan entsenden konnte.

Etwa 9 Jahre später wird weiterhin am Hindukusch und in anderen Teilen des Landes gekämpft, obwohl der Widerstand immer größer wird und ernsthafte Erfolge bislang nicht erzielt werden konnten. SPD-Politiker Klose stellte dabei im Bundestag klar, dass, wenn die NATO-Truppen sofort abgezogen werden, die Terroristen 9 Wochen später wieder die eigentliche Macht im Land haben würden. Das macht deutlich, dass die gesamte Zeit über absolut keine Erfolge erzielt werden konnten. Außerdem müsste eher eine politische Debatte geführt werden statt ständigen Diskussionen über die Aufstockung der Truppen, wie es regelmäßig im Bundestag der Fall ist. Von den einzelnen Fraktionen, abgesehen von der Linkspartei, gibt es auch keinerlei Maßnahmen, um einen ernsthaften Fortschritt in Afghanistan erreichen zu können, da leider nicht über Lösungen zur Beendigung dieses Krieges gesprochen wird, sondern jegliche Maßnahmen zur Fortführung dieses Einsatzes ergriffen werden. Falls überhaupt über einen Abzug debattiert wird, so halten sich die Fraktionen sehr bedeckt und planen mit einem Abzug der Truppen bis 2014. Beruhigend ist das auf keinen Fall, da hier über eine Zeitspanne von 4 Jahren gesprochen wird und somit noch vieles passieren kann – eine klare Perspektive gibt es aber nicht!

Dieser Krieg wird geführt, um die Bevölkerung vor dem Terrorismus zu schützen. Sicherlich stellen die Taliban ein Problem für den Frieden in Afghanistan und auch in der restlichen Welt dar und dennoch scheint die Bekämpfung dieser Truppen schwieriger als angenommen: Zwar bietet die Isaf ehemaligen Taliban die Möglichkeit, sich einer neuen Hilfspolizeitruppe (Afghanische Lokale Polizei (ALP)) anzuschließen und trotzdem weiß niemand wie viele Taliban tatsächlich übergelaufen sind. US-Oberst Sean Mullholland musste einräumen, dass es sich um „einen niedrigen Prozentsatz“ handelt. Wirkungsvoll ist dieses System nicht, da gleichzeitig auch die Terror-Strukturen zu stark gefestigt sind. Beispielhaft für die aussichtslose Lage ist das Gefecht vom 15.03.2010, bei welchem die Soldaten den Feind kaum ausmachen können, da die Bundeswehrsoldaten aus mehreren hundert Meter beschossen werden. Es sind die Fallschirmjäger aus dem niedersächsischen Seedorf, die an diesem Tag in dieser dramatischen und zugleich aussichtslosen Situation stecken. Es ist ihr erstes Gefecht gewesen und ab diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass die Soldaten die nächsten 5 Monate in verschiedene Gefechte verwickelt sein werden. Bereits am 2. April fallen 3 Soldaten der Einheiten in weiteren heftigen Kämpfen. Viele der in Nordafghanistan stationierten Soldaten verlassen die Bundeswehr nach diesen Gefechten, weil sie der psychischen Belastung nicht mehr Stand halten können: Zu stark sind die Trauer um die gefallenen Kameraden oder die dramatischen Bilder aus den Kriegssituationen. Sie kehren zurück nach Deutschland, verlassen die Bundeswehr und versuchen einen Neuanfang in einem anderen Beruf, was oft nur bedingt möglich ist. Es sind Schäden, die auch mit der Zeit nicht verschwinden werden.
Stabsgefreiter Daniel B. äußerte sich gegenüber dem ZDF zu diesen Kampfhandlungen: „Es ist in gewisser Weise erschreckend, solche Handlungen durchführen zu müssen.“ Er stellte außerdem klar, dass er niemals erwartet hätte, dass die Soldaten in „so extreme Kampfhandlungen verwickelt werden“.

Außerdem werden jegliche internationalen Truppen als Besatzer angesehen, da sich die Lage durch den Kriegseinsatz deutlich verschärft hat und selbst unter dem Talibanregime war die Lebenssituation für viele Bürger des Landes besser. In einem Interview mit der taz äußerte sich die afghanische Politikerin Malalai Joya wie folgt: „Für die Frauen ist die Situation heute schlimmer als unter den Taliban.“ Weiter heißt es in dem Interview: „Die Lage der Frauen ist hoffnungslos. Hunderte Frauen verbrennen sich jährlich selbst, oder sie nehmen sich den Strick, weil sie an Männer verkauft werden wie Vieh. 80 Prozent der Ehen sind erzwungen.“ Auf die Frage, ob ein verfrühter Abzug der Truppen nicht völliges Chaos bedeuten würde, antwortete Joya: „Wir brauchen Hilfe, aber keine Besatzung wie derzeit. […] Es wird nicht Terrorismus bekämpft, sondern Terror produziert.“

Aber auch die Tatsache, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister zu Guttenberg anfänglich nicht von einem Krieg, sondern von einem „bewaffneten Konflikt“, gesprochen haben, schildert deutlich, dass die Regierung die Lage in Afghanistan nie wirklich ernst genommen hat. Lieber wurde die dramatische Lage heruntergespielt, um den Kriegseinsatz noch rechtfertigen zu können. Fast schon peinlich verlief dabei die Trauerfeier der gefallenen Soldaten aus Seedorf, die von Guttenberg und Merkel eine sehr dürftige Verabschiedung erhalten haben. Pikanterweise versuchten die Politgrößen diese Trauerfeier auch noch als eine Art Wahlkampf zu nutzen, um diesen Krieg abermals rechtfertigen zu können – und das, obwohl Menschen bei diesem Einsatz gestorben sind!
Ex-Bundespräsident Köhler machte in einer umstrittenen Rede am 22. Mai 2010 klar, dass jeder Bürger „wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege […]“. Perfekt getarnt unter dem Friedensmantel hat die deutsche Regierung auch Interesse an der Sicherstellung von Ressourcen und dem Schutz sonstiger wirtschaftlicher Interessen. Es geht in erster Linie gar nicht um die Schaffung von Frieden in Afghanistan, sondern haben wirtschaftliche Belange einen höheren Stellenwert als Menschenleben. Ähnliche Verhaltensweisen konnten bereits im Irakkrieg festgestellt werden, als das US-Militär auch ein großes Interesse an der Sicherung jeglicher Ölvorkommen hatte.
Dieser Krieg ist auf diese Weise nicht zu „gewinnen“, zumal es bei einem Krieg ausschließlich Verlierer gibt! Die internationalen Truppen sollten sich lieber um einen friedlichen und zivilen Aufbau des Landes kümmern, anstatt sinnlose Gefechte zu führen, die ohnehin keinen Erfolg bringen und unnötig Menschenleben auf beiden Seiten fordern.

In Deutschland sieht die Situation der Bundeswehr nicht besser aus, da auch hier einige Skandale öffentlich geworden sind: Zwei ominöse Todesfälle an Deck des Segelschulschiffs „Gorch Fock“, geöffnete Briefe von Soldaten aus Afghanistan und die mangelhafte Informationspolitik des Verteidigungsministeriums um Karl Theodor zu Guttenberg.
Skandalös ist eigentlich schon der Vorfall, dass Guttenberg ein Telefonat mit der Bild führte und anschließend den Kapitän der „Gorch Fock“ entließ. Sieht so das seriöse Auftreten eines Politikers aus?
Viel schlimmer ist aber die Tatsache, dass auf dem Schulschiff die 25-jährige Marineschülerin Sarah S. tödlich verunglückte, was viele Soldaten auf den unmenschlichen Drill zurückführen. Erstaunlich ist dabei, dass Rainer Arnold (SPD) bereits im Dezember eine Aufklärung über ähnliche Gerüchte verlangte und ergebnislos blieb, da Guttenberg offenbar gar nicht über die Situation Bescheid wusste. Dennoch passt es gut ins Bild: Minister Guttenberg entzieht sich jeglicher Verantwortung und findet für jedes Problem einen Sündenbock.
Auch die geöffnete Feldpost belastet ebenfalls Guttenberg, wobei das Verteidigungsministerium selbstverständlich durch einen Untersuchungsbericht Entwarnung gab und so tat, als sei alles prima mit der Post. Und das, obwohl neben Wertgegenständen auch persönliche Schreiben und ähnliche Dokumente verschickt wurden!

Ganz zu meiner Freude wurde Anfang 2011 nun die Wehrpflicht ausgesetzt, was bei solchen Umständen auch dringend notwendig gewesen ist. Selbst wenn die Wehrpflicht noch existieren würde und ich von dieser betroffen wäre, hätte ich den Dienst verweigert und ein freiwilliges ökologisches Jahr geleistet, um so den Kriegsdienst zu verweigern und um eventuell nützliche Erfahrungen für einen späteren Beruf in diesem Bereich zu sammeln. Der Dienst mit der Waffe kommt für mich unter keinen Umständen in Frage, da jeder, der den Dienst leistet und sich so zum Kanonenfutter des deutschen Militärs macht, den Afghanistaneinsatz und jegliches sonstiges Fehlverhalten des Verteidigungsministeriums duldet.
Wer aber weltweiten Frieden anstrebt, kann diesen Wunsch nicht mit der Bundeswehr und dem Kriegsdienst vereinen. Und dieses Streben nach weltweiter Gerechtigkeit und weltweitem Frieden funktioniert nur, wenn jegliche Kampfhandlungen und Kriegseinsätze beendet werden!

Für mich ist die Bundeswehr eine Institution, die von der Kameradschaft und angeblichem Bestreben nach Frieden lebt und dennoch ein absolutes Tötungsorgan darstellt. Außerdem sind jegliche Ausbildungsmethoden, die dort angewendet werden, unmenschlich und nicht förderlich für den späteren Lebensweg und die eigene Zukunft. Ich will mich nicht zum Mörder und zur Marionette von Wirtschaft und Regierung ausbilden lassen, weil die Welt ganz andere Menschen benötigt. Menschen mit Visionen, die internationale Solidarität, Vereinigung und weltweiten Frieden fordern und auch versuchen durchzusetzen. Des Weiteren halte ich einen Krieg für unmoralisch, da so Menschen- und Tierleben gefährdet und die Umwelt zerstört wird.
Jede Person, die durch einen Einsatz der Bundeswehr stirbt, ist eine Person zu viel – unabhängig auf welcher Seite!

Bedauerlich finde ich auch, dass die Bundeswehr nicht einmal fair gehandelte Kleidungsstücke einsetzt, obwohl diese von der Regierung finanziell und ideologisch gelenkt wird. Eine öffentliche Institution, die sich für Rettung von Zivilisten, besonders von Kindern, einsetzt und dennoch nicht bewusst fair gehandelte Kleidungsstücke produzieren lässt, sondern auf Textilien aus Ausbeutung und Kinderarbeit setzt, ist unglaubwürdig und unmenschlich! Hier fehlt jegliche Transparenz! Ansonsten: Was tut die Bundeswehr für den Umwelt- und Tierschutz?

Abschließend muss gesagt werden, dass ich unter diesen Umständen nicht bereit bin, meinen Wehrdienst zu leisten, sondern anerkannter Kriegsdienstverweigerer werden möchte, um ein klares Zeichen gegen Krieg und Gewalt zu setzen.

Nachtrag am 13.02.2011:
Am 10.02.2011 habe ich einen Bescheid vom Bundesamt für Zivildienst erhalten, der bestätigt, dass ich offiziell dazu berechtigt bin, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern.

Bildquelle: By Gertrud Zach, U.S. Army [Public domain], via Wikimedia Commons

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