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Protest in Kiel: Bundeswehr raus aus Schulen und Berufsmessen!

Es scheint zunächst eine ganze normale Berufsmesse an diesem 02. März zu sein, bei der verschiedene Berufe und Zukunftsperspektiven dargestellt werden. Auch die Bundeswehr möchte dort ihre vermeintlichen Perspektiven vermitteln und ist ebenfalls mit einem Stand vertreten. Das war bereits im Vorfeld bekannt und wurde ganz offen von der Veranstaltungsleitung kommuniziert – als wäre das ein ganz normaler Vorgang.
Gegen 11:00 Uhr versammeln sich AktivistInnen vor dem Sparkassengebäude, besprechen die letzten Details und gehen anschließend gemeinsam durch die Berufsmesse. Sie möchten keine Kritik an der Messe als solche üben, ihr Engagement richtet sich ausschließlich gegen den Stand der Bundeswehr. An den Messeständen finden rege Unterhaltungen statt, Menschen drängeln sich aneinander vorbei und auch sonst wirkt alles ganz normal.

Welchen Hintergrund hat die Aktion der Friedensgruppe? Schließlich möchte man zunächst denken, dass die Bundeswehr ein Arbeitgeber wie jeder andere ist. Das Gegenteil ist jedoch der Fall! Wer sich verpflichten lässt, muss stets bedenken, dass eine Ausbildung oder ein Studium später für Kriegseinsätze verpflichten kann. Gute Ausbildungsberufe, überdurchschnittliche Gehälter und versprochene Zukunftsperspektiven machen die Bundeswehr zu einem attraktiven Arbeitgeber. Dabei wird die negative Seite gerne ausgeblendet: Kriegseinsätze, das Töten von unschuldigen Zivilisten und Rüstungsexporte in die gesamte Welt. Weltweit ist Deutschland nach den USA und Russland der drittgrößte Rüstungsexporteur mit einem Weltmarktanteil von etwa 11 Prozent (Stand 2010).[1] Der Handel mit Rüstungsgütern ist ein lukratives und schmutziges Geschäft zugleich: Für 2011 bezifferte das Stockholmer Forschungsinstitut Sipri die globalen Rüstungsausgaben auf 1,74 Billionen Dollar.[2]
Viele Industrieländer führen dabei zwar selbst keine Kriege mehr, exportieren dafür den Krieg in Form von Kleinwaffen und Panzern in andere Länder, die zum Teil diktatorisch regiert werden. Deshalb verwundert es nicht, dass deutsche Waffen auf der ganzen Welt gehandelt werden und dabei auch in die Hände von Terroristen gelangen, die die Bundeswehr zu bekämpfen vorgibt. Des Weiteren werden Kriegseinsätze mit deutscher Beteiligung, wie wir sie aktuell in Afghanistan, Mali und an der türkisch-syrischen Grenze erleben, von Seiten der Politik und des Militärs oft mit der „Verteidigung der Freiheit“ gerechtfertigt, obwohl es sich dabei um geostrategische Interessen und die Verteidigung von Rohstoffen handelt. Wer sich also für den Beruf des Soldaten/der Soldatin entscheidet, muss sich immer im Klaren sein, dass er/sie für den Interessenschutz von Politik und Lobbyisten sein/ihr Leben riskieren und im Zweifel (unschuldige) Menschen töten muss. Kriege sind somit nicht nur unethisch, sondern auch ein extrem kostenintensives Vorhaben. Dabei werden Gelder leichtsinnig verbraucht, die für Kindergärten, Schulen und die Betreuung von pflegebedürftigen Menschen fehlen. Und was hat der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan beispielsweise bislang gebracht? Durch den Einsatz von Waffen und Gewalt wird ausschließlich Gegengewalt erzeugt, sodass zivile Aufbauhilfe deutlich effektiver und vor allen Dingen günstiger wäre.

Protest gegen die Bundeswehr bei Berufsmesse in Kiel. Kein Werben fürs Töten und Sterben!

In der oberen Etage des Gebäudes sind zwei Männer in tarnfarbener Uniform zu erkennen, die stehengebliebenen Jugendlichen zu vermitteln versuchen, warum die Bundeswehr ein Arbeitgeber mit guten beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten sei. Bereits die Plakatwände im Hintergrund des Bundeswehrstandes sind trügerisch: Ein abgebildetes U-Boot sowie ein uniformierter Soldat stellen die Arbeit der Bundeswehr als eine Art Abenteuer dar, obwohl bei diesem Beruf Verstümmelungen, Traumata, andere psychische Erkrankungen oder gar der eigene Tod stets ein persönliches Risiko darstellen. Drei FriedensaktivistInnen stellen sich neben den Stand, öffnen ihre Jacken und zusehen sind T-Shirts mit der Aufschrift „Krieg beginnt hier!“. Der Rest verteilt währenddessen Aufkleber, die auf die Problematik der Bundeswehr als Arbeitgeber aufmerksam machen, an die vorbeiziehenden Menschen. Es vergehen kaum zehn Minuten, bis der Protest von der Veranstaltungsleitung entdeckt wird. Zwei aufgebrachte Mitarbeiter der Sparkasse erteilen mit dem Argument, dass sich die Jugendlichen durch die Anwesenheit der AktivistInnen gestört fühlen, ein Hausverbot und verweisen darauf, dass man eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Bundeswehr nicht duldet. So wirbt die Sparkasse in ihrem Flyer zur Berufsmesse unter anderem mit der „großen Orientierungshilfe für die berufliche Zukunft“. Doch wie sieht diese Orientierungshilfe ohne inhaltliche Auseinandersetzung aus? Schließlich geht es gerade darum, dass jungen Menschen eine faire Chance geboten wird, sich inhaltlich mit allen Facetten der Bundeswehr und damit verbundener Kriegseinsätze auseinandersetzen zu können. Wenn also geschulte Offiziere für die Bundeswehr werben dürfen, müsste gleichzeitig auch ein Stand der Friedensbewegung genehmigt und erwünscht sein, damit eine neutrale Meinungsbildung überhaupt erst ermöglicht wird.

Die Protestlerinnen und Protestler lassen sich jedoch nicht vom erteilten Hausverbot abschrecken und verteilen weiter ihr Informationsmaterial, dass meist positiv angenommen wird. Schnell wird ein Transparent mit der Aufschrift „Kein Werben fürs Töten und Sterben – Schulfrei für die Bundeswehr!“ entrollt und Fotoaufnahmen angefertigt. Plötzlich gehen den Fotografen ein Bundespolizist (deren Stand war unmittelbar neben dem Stand der Bundeswehr) und ein Mitarbeiter der Sparkasse verbal an. Sie fordern ihn zum Löschen jeglichen Bildmaterials auf, weil sie ihre Personen in diesem Zusammenhang nicht veröffentlicht sehen möchten. Als schließlich darauf verwiesen wird, dass es sich dabei um Gruppenbilder mit diversen anderen Personen handelt, droht der Polizist mit Handgreiflichkeiten. Zu keinem Zeitpunkt ist der Ablauf der Messe behindert worden, sondern haben die AktivistInnen – im Gegensatz zu den MitarbeiterInnen des Veranstalters – ihre Anliegen ruhig vorgebracht und sich auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung berufen.
Nach kurzer Rücksprache verlassen die Bundeswehr-GegnerInnen das Gebäude und werden dabei von der alarmierten Polizei abgefangen. Draußen werden dann die Personalien eines Aktivisten aufgenommen, das Entrollen des Transparentes trotzdem ausdrücklich genehmigt. Unmittelbar danach rückt ein weiterer Streifenwagen an und auch diese Beamten versuchen die Versammlung aufzulösen. Erst nach einer zähen Diskussion mit dem Verweis auf die Genehmigung verlassen auch diese Polizisten den Vorplatz der Filiale. Dieses verhältnismäßig große Polizeiaufgebot wirft die Frage auf, warum ein solches Engagement nicht über das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt ist.

Einige BesucherInnen bleiben stehen, lesen sich den Schriftzug durch und nicken oftmals zustimmend. Es ist bemerkbar, dass sich ein klarer Teil mit den Forderungen identifizieren kann und die Bundeswehr eben nicht für einen vollkommen normalen Arbeitgeber hält. Außerdem fallen Kommentare wie „Es ist mutig, dass ihr hier steht.“, die zum Nachdenken anregen, wenn eine solche Aktion von der Gesellschaft bereits als mutig angesehen wird.
 Dennoch fühlen sich einige Personen von der Anwesenheit massiv angegriffen, werden beleidigend und sind zugleich zu einer ernsthaften inhaltlichen Auseinandersetzung nicht bereit. In Gesprächen wird deutlich, dass die Propaganda der Bundeswehr bei jungen Menschen auf Zustimmung trifft und diese zu einseitig über die Zusammenhänge von Krieg und Bundeswehr informiert sind.
Nach mehreren Stunden zeigt sich eindeutig, dass das Engagement der PazifistInnen an diesem Tag enorm wichtig gewesen ist und die Leute immer wieder darüber informiert werden müssen, dass echter Frieden und eine sinnvolle Verwendung von Ressourcen nur durch die Abschaffung der Bundeswehr und gewaltfreie Konfliktlösungen erreicht werden kann.

Quellen:
[1] Studie: Deutschland verdoppelt seine Rüstungsexporte – Tagesschau.de (02.03.2013 19:08)
[2] Militär kriegt die Krise – taz.de (02.03.2013 19:12)

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