Konsum & Kritik/ Nachhaltigkeit & Umweltschutz

Weihnachten ohne Kaufrausch – eine Utopie?

Zwei Frauen mit Einkaufstüten an einer Straße, unter anderem sind die Taschen von der Modekette Primark

Ich stehe mit einer warmen Tasse Tee in der Hand am Fenster meiner Wohnung und freue mich über die herunterfallenden Schneeflocken. Zunehmend wird die Straße von einem wunderschön funkelnden weißen Schneeteppich überdeckt. Vereinzelt strampeln Fahrradfahrer vorbei, die von diesem Schneefall scheinbar überrascht wurden und nur mit Mühe eine gerade Linie durch den weißen Straßenbelag fahren können. Am Ende der Straße stehen ein paar junge Leute um zwei ineinandergekrachte Wagen herum und lachen dennoch ausgelassen. Manchmal ist Humor wohl doch das beste Mittel gegen Ärger. Und auf der anderen Straßenseite sind schon die ersten Hausbewohner mit Schneeschiebern und kiloweise Streusalz ausgerückt, um die Gehwege frei und begehbar zu machen.
Auf dem Weihnachtsmarkt drängeln sich unzählige Menschen durch die viel zu engen Gänge, um am Ende auch wirklich jeden Stand gesehen zu haben. Mit Bratwurst, selbstgedrehten Bienenwachskerzen, massig Weihnachtsdekoration und Glühwein bringen sich die Leute in vermeintliche Weihnachtsstimmung. Anders geht das wohl schon gar nicht mehr. Zur gleichen Zeit tummeln sich die Menschenmassen durch die Kaufhäuser und tragen stapelweise Pakete sowie Plastiktüten heraus. Jahr für Jahr muss es einfach das perfekte Geschenk werden, damit der heilige Abend nicht zum Desaster wird und Eltern plötzlich in enttäuschte Kinderaugen blicken müssen.

Weihnachten ist längst zu einem Konsumfest geworden und wir haben den Blick für das Wesentliche gänzlich verloren. Es spricht nichts dagegen, wenn wir Geschenke im Geschäft kaufen, um damit unseren liebsten Mitmenschen eine Freude zu machen. Nein, das ist ganz gewiss nicht das Problem. Viel mehr sollten wir uns Gedanken darüber machen, was wir da eigentlich verschenken und welchen Sinn das macht. Letztes Jahr hat die Elektronikfachmarktkette Media Markt mit seiner Kampagne „Weihnachten wird unterm Baum entschieden“ ein ideales Beispiel dafür geliefert, wie das Weihnachtsfest längst dem extremen Konsum verfallen ist. Dabei wurde suggeriert, dass sich Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene nur noch über hochmoderne elektronische Geräte freuen würden. Wer ihnen also eine Freude machen möchte, schenkt ein Smartphone, eine Spielekonsole oder eine neue Digitalkamera. Geschmacklos ist diese Werbung gewiss, weil sie den eigentlichen Sinn von Weihnachten komplett missachtet, wenngleich zunehmend mehr Kinder ein tatsächliches Bedürfnis nach diesen Gütern verspüren. Allerdings ist es ein sehr befremdlicher Gedanke, wenn man sich vorstellt, dass bereits kleine Kinder ihr erstes Mobiltelefon oder die erste Spielekonsole geschenkt bekommen, obwohl sie diese gar nicht benötigen bzw. nicht einmal die korrekte Bedienung kennen.

Trotzdem kann nicht ausschließlich den Elektronikgeräten die Schuld für diesen gesellschaftlichen Kurswechsel gegeben werden, weil wir zumeist den Grundgedanken von Weihnachten vergessen haben. Geschenke sind durchaus ein wichtiger Teil dieses Festes, und das sollen sie auch weiterhin bleiben. Wir sind dennoch gedankenlos geworden, rennen blind in die Geschäfte und kaufen eben all diese Dinge, mit denen wir vermutlich nichts falsch machen können. Und dann liegen später die Elektrogeräte, das überteuerte Parfüm, überflüssiges Plastikspielzeug oder Gutscheine unter dem Baum. Natürlich möchten wir unseren Liebsten eine Freude machen, strengen uns dafür aber zunehmend weniger an.
Ein gutes Buch vom Antiquar, ein klassisches Brettspiel für die ganze Familie oder ein selbstgemachtes Fotoalbum mit gemeinsamen Erinnerungen sind nur wenige Beispiele dafür, wie man es besser machen könnte. Es sollten einfach Geschenke sein, die einen ernsthaften Nutzen mit sich bringen, mit Liebe selbst gemacht wurden und für Kinder angemessen sind. Schließlich geht es doch nicht um den Wert eines einzelnen Geschenkartikels oder um die Menge der Pakete, sondern vielmehr um die Geste. Geschenke sind also eher als kleine Aufmerksamkeit und Zeichen für Wertschätzung und Dankbarkeit zu verstehen. Oftmals hat es sich in unserer Gesellschaft allerdings etabliert, dass die Leute sich heute nur noch wertgeschätzt fühlen, wenn das Geschenk auch einen entsprechenden Wert hat. Wir zeigen uns also nicht mehr dafür dankbar, dass wir beschenkt werden, sondern meist nur noch für das Geschenk als solches.
Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hat errechnet, dass die Deutschen etwa 285 Euro pro Kopf für Geschenke in diesem Jahr ausgeben werden. Somit werden durchschnittlich 24 Euro mehr als im Vorjahr für Geschenkartikel locker gemacht. Der Studie zu Folge liegen mit am häufigsten Spielwaren, Bekleidung, Kosmetikartikel und Parfüm unter dem Weihnachtsbaum. Des Weiteren geht aus der Analyse hervor, das besonders unpersönliche Geldgeschenke ein Volumen von 3,4 Milliarden Euro umfassen werden – ein Plus von 6,3 Prozent. Vor allen Dingen Geldgeschenke sind ein Zeichen für die Gedankenlosigkeit, mit der wir es an Weihnachten zunehmend zu tun haben. Wer Geld verschenkt, entlarvt sich doch selbst und beweist einmal mehr, wie wenig Mühe er sich bei der Wahl eines passenden Geschenkes gegeben hat.

Aber nicht nur beim Kauf unserer Geschenke sind wir unlängst dem Kaufrausch verfallen, sodass auch das Festessen entsprechend üppig ausfällt. Gans, Schnitzel oder Bockwurst gehören in den meisten Fällen einfach dazu und sind während der Weihnachtstage nicht wegzudenken. Besonders dann werden viel größere Mengen an Lebensmitteln eingekauft, die größtenteils später wieder im Müll landen. Gerade beim Essen findet eine enorme Verschwendung von Ressourcen statt, die sich auch bei der Wahl des Geschenkpapiers widerspiegelt. Schätzungsweise zehn Prozent mehr Papierverpackungen landen nach Weihnachten im Müll. Zeitungspapier bietet beispielsweise eine ideale Alternative, um die Geschenke bis zum Auspacken geheimzuhalten. Seien wir doch mal ehrlich: Selbst schönes Geschenkpapier wird nicht einmal mit einem ernsthaften Blick gewürdigt und ist damit nahezu überflüssig. Aber wozu eigentlich diese Aufregung? Schließlich soll doch wenigstens das Weihnachtsfest schön werden.

Nun, das mag sein und letztlich spricht auch nichts gegen harmonische Weihnachtstage mit der Familie. Trotzdem hat dieser Konsumwahnsinn verheerende Folgen für die Umwelt, Tiere und Menschen zugleich. Hinter der glitzernden Fassade aus Weihnachtsdekoration bemerken wir im Kaufhaus nicht einmal, was wir mit unserem Einkaufsverhalten tatsächlich für Schäden anrichten. Der Löwenanteil der Geschenke stammt beispielsweise aus Asien, Bangladesch, El Salvador oder einem anderen Billiglohnland. Dort müssen die Arbeiterinnen und Arbeiter unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen unsere Konsumprodukte zu Hungerlöhnen fertigen. Es ist längst bekannt, dass die Angestellten keine existenzsichernden Löhne erhalten, finanziell zu unzähligen Überstunden gezwungen sind, teils von sexuellen Übergriffen durch die Aufseher berichten und selbst die hygienische und medizinische Versorgung katastrophal ist. Sogar Kinder müssen unsere Billigwaren herstellen, statt zur Schule gehen zu können. All diese Punkte sind längst Fakt und jede/r einzelne ist mit seinem Kaufverhalten dafür mitverantwortlich. Wir können mit unseren Kaufentscheidungen schlechte Arbeitsbedingungen und umweltschädliche Materialien verhindern, besonders an Weihnachten. Erst kürzlich sind etwa 110 Menschen bei einem Brand in der Tazreen Fashion Fabrik in Bangladesch grausam ums Leben gekommen. In der Fabrik wurde unter anderem für C&A, KiK und Ikea produziert.

Nicht nur die Menschen leiden unter den unmenschlichen Arbeitsbedingungen, sondern zerstören wir mit unserem Konsum mittelfristig unsere eigene Existenz. Rohstoffe müssen unter hohem Energieaufwand gewonnen werden, Gewässer werden verschmutzt, ArbeiterInnen kommen mit giftigen Chemikalien in Kontakt und der globale Elektroschrott wird nach Afrika verschifft, damit dort die Edelmetalle durch Kinder aus den Geräten heraus geschmolzen werden. Vom klimaschädlichen Transport – zwischen den einzelnen Produktionsschritten bis hin zu uns nach Hause  – mal ganz abgesehen.
Wir können uns all die günstigen Schnäppchen – mit denen wir uns letztlich auch nur ein Lebensgefühl kaufen – nur leisten, weil diese auf Kosten anderer produziert wurden. Einfach mal weniger konsumieren und vor allen Dingen darauf achten, was man am 24. Dezember verschenkt. Selbstgemachte oder gebrauchte Produkte entlasten die Umwelt, weil hierfür oftmals weniger oder bereits vorhandene Ressourcen genutzt werden. Des Weiteren sind auch Geschenke aus der Region sehr empfehlenswert, weil hierfür kürzere Transportwege zurückgelegt werden mussten und die Produktionsbedingungen meist deutlich besser sind.

Außerdem stellt sich sich die Frage, warum wir an Weihnachten tote Tiere essen müssen. Wo ist da der Sinn? Gut, nun mag man mit alten (christlichen) Traditionen kommen und behaupten, dass der Weihnachtsbraten schon immer dazugehört hat, was allerdings als sehr schwaches Argument daherkommt. Angesichts der drohenden Klimaprobleme sollten solche überholten Traditionen aufgebrochen und durch neue Ansätze erneuert werden. Vegetarische und vegane Weihnachtsgerichte – ohne Abstriche beim Geschmack – gibt es längst etliche. Wir haben es in einer vermeintlich zivilisierten Gesellschaft nicht nötig, Tiere zu quälen und zu essen. Des Weiteren muss auch hierbei bedacht werden, dass Fleisch als größter Klimakiller gilt und unser Fleischkonsum für Hunger auf anderen Kontinenten sorgt, weil wir dort lebenden Menschen essbare Pflanzen wegnehmen – um sie später an Nutztiere zu verfüttern, die wir dann an Weihnachten auf dem Teller liegen haben. Eine ineffizientere Ernährungsweise gibt es nicht. Der Weihnachtsbraten kann eben doch Sünde sein.

Das hat die Industrie ja richtig toll hinbekommen. Das eigentliche Weihnachtsfest wurde komplett entkernt und existiert nur noch als Fassade in seiner ursprünglichen Form. Die Vorweihnachtszeit und die anschließenden Festtage können aber dennoch schön sein, auch mit Geschenken und Feierei. Trotzdem müssen wir endlich das Verzichten lernen und uns stets fragen, was wir verschenken und ob es nicht eine bessere Alternative gibt. Langfristig kann unsere extrem materielle Gesellschaft so nicht einfach weitermachen. Wir müssen umdenken und das Verzichten neu lernen. Gerade in der Weihnachtszeit.

Bildquelle Artikelbild oben: „azing_lue“ von acute_tomato unter der Lizenz CC BY-NC-ND 2.0 via Flickr

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