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Tag der Bundeswehr in Eckernförde: Protest gegen trügerische Werbeveranstaltung

Protest gegen den „Tag der Bundeswehr“ in Eckernförde: Der Sensenmann als Sinnbild für alle Opfer, die Kriegseinsätze fordern

„Von Flensburg im hohen Norden bis Bischofswiesen im tiefen Süden, von Nörvenich im Westen bis Storkow im Osten der Republik öffnen an diesem Tag die Standorte ihre Kasernentore und locken Besucher mit einem attraktiven Erlebnisprogramm“, heißt es auf der Internetseite der Bundeswehr. An 15 Standorten wollte sich die Bundeswehr anlässlich ihres 60-jährigen Bestehens mit dem sogenannten „Tag der Bundeswehr“ am 13.06.2015 als „aktiv.attraktiv.anders“ präsentieren. In Schleswig-Holstein öffnete neben der Marineschule in Flensburg der Marinestützpunkt in Eckernförde ihre Gelände für interessierte Personen.[1]

In Eckernförde erschienen die BesucherInnen bei bestem Wetter zahlreich, um sich unter anderem verschiedene Kriegsschiffe aus der Nähe anzusehen. Zudem sprangen SoldatInnen mit ihren Fallschirmen aus einem Flugzeug und landeten direkt im Stützpunkt. Darüber hinaus beteiligten sich an diesem Veranstaltungstag sogar das Technische Hilfswerk (THW) und die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS), die nach außen hin – so scheint es zumindest – einen reinen zivilen Auftrag verfolgen. 2008 unterzeichneten Bundeswehr und THW einen zivil-militärischen Zusammenarbeitsvertrag, sodass spätestens seitdem klar sein dürfte, dass beide Organisationen ganz bewusst eine Zusammenarbeit anstreben.[2] Statt den Verteidigungsetat der Bundeswehr von rund 33 Milliarden Euro ausschließlich derartigen friedlichen Hilfsorganisationen komplett zur Verfügung zu stellen, versucht die Bundeswehr ihr Image als Hilfsorganisation weiter auszubauen.[3]

Derzeit gibt es 31 Kriege weltweit, an denen auch die deutsche Marine aktiv beteiligt ist. Aufgrund dieser Kriege sind viele Menschen auf der Flucht. Die deutsche Marine gibt vor, Flüchtlinge zu retten, wenn sie bei der Flucht über das Mittelmeer zu Schaden kommen. Selbst wenn es im Einzelfall vorkommt, besteht der Auftrag der Bundeswehr nach wie vor im Führen von Kriegseinsätzen. Das Militär ist keine Hilfsorganisation und verfolgt einen klaren Kurs der Kriegsvorbereitung und -beteiligung.
Zur Rettung von Schiffbrüchigen sind Kriegsschiffe und SoldatInnen völlig ungeeignet. Wenn MarinesoldatInnen gerne Menschen aus Seenot retten wollen, können sie ihren Kriegsdienst aufgeben und künftig für die DGzRS arbeiten. Flüchtlinge brauchen eine ernsthafte, humanitäre Hilfe, die Bundeswehr wird die katastrophale Situation nur noch weiter verschärfen. Jeder Kriegseinsatz schafft neues Leid und zusätzliche Flüchtlingsströme.[4]
Nicht ohne Grund entrollten AktivistInnen vor dem Marinestützpunkt in Eckernförde ein Transparent mit der Aufschrift: „Grenzen öffnen für Menschen. Grenzen schließen für Waffen.“

Besonders auffällig war an diesem Tag die hohe Zahl an Eltern, die mit ihren Kindern den „Tag der Bundeswehr“ in Eckernförde besuchten. Es ist in keiner Weise zu rechtfertigen, dass Eltern ihren Kindern derart sorglos die Bundeswehr präsentieren und den teils noch orientierungslosen Kindern und Jugendlichen damit vorgaukeln, das Militär sei ein ganz normaler Arbeitgeber und Teil der Gesellschaft. Die Wehrtechnische Dienststelle 71 dürfte das gefreut haben: Sie präsentierte sich in ihrer Werkstatt und informierte über die verschiedenen, vermeintlich zivilen Ausbildungsmöglichkeiten bei der Bundeswehr am Standort Eckernförde.
Eines der Hauptziele dieser bundesweiten Veranstaltung: die Bundeswehr soll sich als einen der „attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland“ mit flexiblen Arbeitszeitmodellen, individuellen Karrieremöglichkeiten, einer hohen Ausbildungsvergütung, familienfreundlichen Rahmenbedingungen und dem Versprechen sicherer Arbeitsplätze profilieren. Schließlich ist längst bekannt, dass die Bundeswehr Nachwuchssorgen hat und für ihre weltweiten Kriegstreibereien ständig neues Personal benötigt. Seit dem Wegfall der Wehrpflicht fehlen etwa 20.000 RekrutInnen jährlich, sodass die dreifache Anzahl an Bewerbungen benötigt wird, um diese Zahl tatsächlich zu erreichen. Für die Nachwuchsrekrutierung wird eine aggressive Werbekampagne nach der anderen gefahren. So hat das deutsche Militär beispielsweise auf dem Internetauftritt der Jugendzeitschrift „Bravo“ für den Dienst mit der Waffe geworben. Genauer gesagt geht es hierbei um einen fast schon
satirisch aufgelegten Werbefilm für die sogenannten „BW-Adventure Camps“, der jungen Menschen auf ganz perfide Weise suggerieren soll, dass die Bundeswehr ausschließlich mit Spaß, Spiel und Sport zu tun hat.
Kostenlos natürlich.[5] Ganz bewusst werden berufliche Risiken wie Traumata und andere psychische Erkrankungen, die mehrjährige Verpflichtung oder die Gefahr bei einem Auslandseinsatz umzukommen, verschwiegen.
Auch sonst wirbt die Bundeswehr zur besten Sendezeit im Fernsehprogramm und stellt sich zwischen Werbespots für Shampoo und Haushaltsreiniger als ganz gewöhnlichen Arbeitgeber dar. Spätestens mit Erscheinen einer tarnfarbenen Sonderbriefmarke mit dem Schriftzug „Im Einsatz für Deutschland“ versucht sich die Bundeswehr verstärkt in unserer gesellschaftlichen Mitte zu etablieren. Solche Werbung schafft Akzeptanz und lässt das Militär noch stärker als einen
ganz gewöhnlichen Arbeitgeber daherkommen.[6]
Und nun also noch der „Tag der Bundeswehr“ als weitere Profilierungsplattform.

Die Bundeswehr ist eine Armee im Einsatz, die primär für die Absicherung von Handelswegen und geostrategische Interessen eingesetzt wird. Der Bau von Schulen und Brunnen in Krisengebieten, die Rettung von Flüchtlingen und der weltweite Einsatz für „unsere Sicherheit“ sind fadenscheinige Argumente, die die Bundeswehr abermals als wichtige Instanz und die damit verbundenen Auslandseinsätze legitimieren sollen. In unseren Köpfen soll ankommen, dass die Bundeswehr für den Frieden in der Welt kämpft. Dabei sollte doch hinlänglich bekannt sein, dass Militäreinsätze stets nur noch mehr Hass und Gegengewalt erzeugen. Zudem wissen wir spätestens seit dem gescheiterten Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, dass hierbei die Arbeit ziviler Hilfsorganisationen massiv behindert wurde und weiterhin wird. „Es ist leider heutzutage auch so, dass militärische Einsätze, die zur Lösung von Konflikten führen sollen, häufig als ‚humanitär‘ bezeichnet werden. Ein humanitärer Einsatz ist aber grundsätzlich etwas anderes als ein militärischer Einsatz! Das kann zu einer Verwirrung führen, wenn eine Armee – wie in Afghanistan – sagt: ‚Wir machen humanitäre Hilfe‘, es aber ein politischer und militärischer Einsatz mit bestimmten Interessen ist. Die Bevölkerung kann die rein humanitäre und medizinische Hilfe von neutralen Organisationen dann kaum mehr davon unterscheiden – vor allem auch nicht die Rebellen und Kriegsparteien. Dadurch werden Mitarbeiter von humanitären Organisationen und die hilfsbedürftige Zivilbevölkerung gefährdet“, erklärte die Ärztin und Chirurgin Jantina Madelkow, die für Ärzte ohne Grenzen bereits mehrfach in verschiedenen Ländern aktiv war, in einem Interview.[7]

Die AktivistInnen demonstrierten mit verschiedenen Transparenten gegen den „Tag der Bundeswehr“ und die penetranten Werbemaßnahmen in Schulen, Universitäten und bei Jobmessen. Zudem boten sie mit einem echten Holzsarg „Probeliegen für zukünftige SoldatInnen“ an. Die an die BesucherInnen verteilten Flugblätter sammelten Soldaten am Eingangstor direkt wieder ein und riefen zur öffentlichen Verbrennung auf. Solche Aussagen haben – unter Berücksichtigung der NS-Geschichte, in der es ebenfalls zur öffentlichen Verbrennung andersdenkender Literatur kam – einen herben Beigeschmack und zeigen abermals, was die Bundeswehr von Meinungsfreiheit hält.

Natürlich ließ sich Ministerpräsident Thorsten Albig die Gelegenheit nicht nehmen und lobte die Bundeswehr bei seiner Rede auf dem Marinestützpunkt in Eckernförde in umfassender Weise: „Wir wissen, wie sehr wir unsere Bundeswehr brauchen.“ Das gesamte Land sei dankbar und glücklich, sich darauf verlassen zu können, dass im Zweifel jemand da sei, der weiterhelfe.
Solche Aussagen sind unfassbar, wenn man bedenkt, dass Albig noch zu Beginn dieses Jahres bei der „Kiel weltoffen“-Demo am Fronttransparent für mehr Solidarität mit Flüchtlingen und Menschenrechte demonstrierte.

Eine friedliche Gesellschaft kann nur durch konsequente Abrüstung, ein grundsätzliches Verbot von Waffenexporten, eine allumfassende Konversion militärischer in zivile Betriebe und friedliche Konfliktlösung entstehen. Genau das Gegenteil ist derzeit der Fall: Insbesondere wegen der eskalierenden Kriegs- und Weltkriegsgefahr, die durch die Nato seit Jahren in hochaggressiver Weise durch eine militärische Umzingelung Russlands, unter bewusster Inkaufnahme der Gefahr der Entwicklung eines Atomkriegs, vorangetrieben wird.
Kriegsministerin Ursula von der Leyen ebnet mit dem „Tag der Bundeswehr“ abermals den Weg in die falsche Richtung.

Quellen:
[1] Tag der Bundeswehr 2015 – BundeswehrEvent (14.06.2015 14:32)
[2] Zivil-Militärische Zusammenarbeit mit dem THW – Wikipedia.org (14.06.2015 15:10)
[3] Verteidigungshaushalt 2014 – Bundesministerium der Verteidigung (14.06.2015 15:14)
[4] Flugblatt „Seenotrettung? Finden Sie die Unterschiede“, DFG-VK Flensburg, 2015
[5] Bravo Bundeswehr Adventure Camps 2012 – YouTube (14.06.2013 19:24)
[6] Kein Entkommen mehr – derFreitag (14.06.2013 19:30)
[7] Kleinau-Metzler, Doris: Mitmenschlichkeit weltweit. Janitina Mandelkow im Gespräch mit Doris Kleinau-Metzler, in: a tempo – das Lebensmagazin, Juni 2015, S. 4-7

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